Essen. . Mitglieder der FDP-Frauenorganisation fühlen sich von der FDP-Führungsriege diskriminiert. Ein Vorwurf: Nur wer gut aussieht, darf aufs Wahlplakat. Die stellvertrende Bundesvorsitzende und hessische Landesvorsitzende der Liberalen Frauen, Brigitte Pöpel, zog die Konsequenzen und trat aus der FDP aus.

Vorsitzende der Liberalen Frauen Hessen. Stadtverordnete in Wiesbaden. FDP-Mitglied seit 25 Jahren. Steuerberaterin, verheiratet, zwei Kinder. Das klingt nach einer ehrgeizigen Frau. Eine, die mit ihren 44 Jahren noch etwas vor hat. Doch weil sich Brigitte Pöpel von den eigenen Parteifreunden gemobbt und diskriminiert fühlt, weil ihr über Nacht ein Mann einen Posten wegschnappte, der ihr laut „Bild“ versprochen war – und weil sie den für sie unfähigen FDP-Vorsitzenden Philip Rösler nicht mehr erträgt, zieht sie die Reißleine. Und verlässt öffentlichkeitswirksam die Partei, die ohnehin gerade im Begriff ist, zu zerbröseln.

Damit nicht genug: Die Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen, Doris Buchholz, bläst ins gleiche Horn. Wer zur Frauenorganisation der FDP gehöre, „habe in der Partei unheimlichen Gegenwind“, sagte sie der „Frankfurter Rundschau“, und: „Es ist ein Männerverein“.

Ihre Stellvertreterin Pöpel spricht im selben Blatt von „Kungelrunden, in denen Frauen nicht repräsentiert sind, weil sie eben nicht oben angekommen sind“. Schon im Vorfeld des Bundesparteitags, an dem über die Frauenquote abgestimmt wurde, habe man mit juristischen Spitzfindigkeiten versucht, den Antrag gar nicht erst zuzulassen, erzählt Pöpel. „Frauen sind auf dem Parteitag angegriffen worden, weil sie sich für den Antrag stark gemacht haben.“

Nach dem Motto: Sex sells

Besonders schwer wiegt aber der Vorwurf, der FDP-Entscheider in die Nähe des Sexismus bringt. So berichtet Doris Buchholz von Parteifreunden, die nur FDP-Frauen plakatieren wollten, die ihnen attraktiv genug erschienen – „nach dem Motto: Sex sells“.

Sex verkauft sich. In der Tat lassen sich etliche Plakate mit attraktiven Frauen finden. Bestes und wohl auch bekanntestes Beispiel: Silvana Koch-Mehrin. Die FDP-Europa-Abgeordnete, die nach einer Plagiatsaffäre ihren Doktortitel abgeben musste, setzte sich auf Wahlplakaten in Szene. Ebenso Katja Suding, die als FDP-Frontfrau bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen im vergangenen Jahr die Liberalen vor dem Absturz bewahrte.

Dass Parteien tatsächlich die Attraktivität eines Kandidaten für ausschlaggebend halten – „das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Ingrid Fischbach, Vorsitzende der nordrhein-Westfälischen Frauen-Union und CDU-Bundestagsabgeordnete, der WAZ. Allerdings sei es sicherlich für die FDP-Frauen schwerer, sich in der Männerriege zu behaupten. „In der CDU sind wir einen großen Schritt weiter“, so Fischbach. Zwar gebe es keine Quote, aber immerhin seit 1996 ein Quorum, mit dem der Anteil der Frauen in den Gremien erhöht werde. Das sei auch nach wie vor nötig, denn in der Politik gebe es Tendenzen, die es Frauen schwerer machten, nach oben zu kommen. „Seitdem in den Wahlkreisen die Kandidaten direkt gewählt werden, ist das Hauen und Stechen größer geworden.“ Frauen fehle die Burschikosität, sie „werden an die Seite gedrängt“.

Brigitte Pöpel übrigens soll der Job der Stellvertreterin des Stadtverordnetenvorstehers entgangen sein. Dass sie ihn bekommen sollte, war, so heißt es, ausgemacht zwischen FDP und CDU. Doch ihr Fraktionschef Michael Schlemp wusste einen guten Grund gegen sie: „Als berufstätige Frau mit zwei Kindern hat sie doch gar keine Zeit.“

Es geht um Ausstrahlung, nicht um Sex

Schöne Frauen und schnelle Autos, das passt. Power und Potenz sind hier werbetechnisch ein ideales Team. Doch was bei Sportwagen, Alufelgen oder Heckspoilern funktioniert, lässt sich kaum auf die Politik übertragen, sagt Werbepsychologe Alexander Schimansky. Hier geht es eher um Attraktivität – und das ist ein weites Feld.

„Attraktiven Menschen werden auch andere positive Eigenschaften zugesprochen. Intelligenz, Kompetenz, Durchsetzungskraft, Erfahrung, Würde“, sagt Schimansky, Professor für Marketing und Marktforschung an der International School of Management (ISM) in Dortmund. In Zeiten, wo Wähler sich kaum noch für Parteiprogramme interessieren, wird der Politiker immer wichtiger. „Das Produkt ist die Person. Heute werden Menschen und Gesichter gewählt. Sie müssen Sympathieträger sein.“

Für die Karriere eines Politikers oder einer Politikerin ist es aber nicht unbedingt förderlich, mit Modelmaßen zu glänzen oder mit erotischen Wahlplakaten auf sich aufmerksam zu machen. „Frauen wollen nicht mit erotischen Models beworben werden“, weiß der Werbefachmann. Das ergebe eine „negative Feedbackschleife“, das heißt, das eigene Selbstwertgefühl wird angegriffen – das führt bis zu dem bösen Gedanken: Ich bin zu dick. Männer reagierten auf erotische (Wahl-) Werbung mit dem „Vampir-Effekt“. Sie starren auf das Model, ignorieren aber das Produkt. Die Aufmerksamkeit wird von den Reizen wie Blut aufgesogen.

„Attraktivität ist ein wichtiger Schlüsselreiz für die Wähler, doch ist das ein relativer Faktor“, so Schimansky. So seien Renate Künast, Bärbel Höhn oder Angela Merkel im klassischen Sinn kaum attraktiv zu nennen. Dennoch werden sie gewählt. „Es geht nicht um Sexappeal, es geht um Ausstrahlung.“ Attraktivität und Sympathie beurteilten die Menschen meist nach Ähnlichkeiten mit sich selbst. So könne es für Politiker oder Politikerinnen vorteilhafter sein, wenn sie „Menschen aus dem Volk“ sind.