Berlin. Die Opposition im Bundestag will einen Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie. Der Ausschuss soll sich nach dem Willen von Linken und Grünen auch mit den Versäumnissen der Sicherheitsbehörden auseinandersetzen. Derweil wurde berichtet, dass die Terrorverdächtige Zschäpe unbemerkt bei einem “Bandidos“-Prozess dabei war, der von der Polizei massiv überwacht wurde.

Die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle werden auch den Bundestag voraussichtlich länger beschäftigen. Die Fraktionen aller Parteien beraten derzeit über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Am Freitag wollen sich dazu die Parlamentarischen Geschäftsführer treffen, wie es am Dienstag aus Parlamentskreisen in Berlin hieß. Auch die schwarz-gelbe Regierungskoalitionen zeigen sich grundsätzlich gesprächsbereit.

Anlass sind Ermittlungspannen zur rechtsterroristischen NSU (Nationalsozialistischer Untergrund), der bundesweit für neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft in den Jahren 2000 bis 2006, den Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn vom April 2007 und zwei Bombenanschläge in Köln von 2001 und 2004 verantwortlich gemacht wird. Das Trio lebte jahrelang nahezu unbehelligt im Untergrund.

Opposition fordert Aufklärung der NSU-Mordserie

Linke und Grüne fordern schon seit längerem mögliche Fehler der Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie durch einen Untersuchungsausschuss im Bundestag aufklären zu lassen. Bisher fehlten ihnen allerdings die nötigen Stimmen im Parlament. Zusammen kommen beide Fraktionen auf 144 Sitze im Bundestag. Für die Einsetzung eines Ausschusses müssten aber ein Viertel aller Abgeordneten stimmen, als 155 der 620 Parlamentarier.

Unentschlossen ist noch die SPD. Die Fraktion will Ende der Woche ein Gesamtkonzept für eine Kombination von Bund-Länder-Expertenkommission und Untersuchungsausschuss vorlegen. Ziel sei es, lähmende Paralleluntersuchungen zu vermeiden und möglichst schnell zu fundierten Ergebnissen zu kommen, sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Ich bin zuversichtlich, dass sich die anderen Fraktionen diesem Vorschlag nicht verschließen werden", sagte er.

Union und FDP wollen Ausschuss mittragen

Union und FDP signalisierten bereits vorsichtige Bereitschaft, einen solchen Ausschuss mitzutragen. Die CDU werde sich gegen eine parlamentarische Untersuchung nicht sperren, sagte ein Sprecher der Fraktion auf dapd-Anfrage. Allerdings halte die Union einen Untersuchungsausschuss im Bundestag weiterhin für "nicht besonders zielführend". Wichtiger sei, dass sich eine Bund-Länder-Kommission mit dem Thema befasse, damit auch Versäumnisse auf Länderebene aufgedeckt werden könnten.

Die FDP-Fraktion steht nach eigenen Angaben allen Möglichkeiten offen gegenüber, "die effektiv für Aufklärung sorgen". Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, sagte, bei den Gesprächen müsse es jetzt darum gehen auszuloten, was genau Gegenstand des Untersuchungsauftrags sein solle und ob das ausreiche.

Zschäpe soll Rocker-Prozess besucht haben

Derweil wurde berichtet, dass die Terrorverdächtige Beate Zschäpe 2011 in Erfurt unter falschem Namen einen Strafprozess besucht haben soll, der von der Polizei massiv gesichert wurde und bei dem Besucher ihre Personalien angeben mussten. Ein Anwalt habe den Ermittlern berichtet, dass sich Zschäpe am Rande des Prozesses gegen "Bandidos"-Rocker an ihn gewandt und nach Hilfe gefragt habe, berichtete der "Tagesspiegel". Nach bisherigen Polizei-Erkenntnissen benutzte Zschäpe demnach oft Papiere, die auf den Namen von Unterstützerinnen aus der rechtsextremen Szene lauteten.

Die Listen mit den Namen der Besucher habe das Erfurter Landgericht bereits aus Datenschutzgründen vernichtet, zitierte die Zeitung aus Expertenkreisen. Ein Sicherheitsexperte vertrat demnach die Auffassung, sollte der Rechtsanwalt tatsächlich von Zschäpe in dem Erfurter Gerichtsgebäude angesprochen worden sein, wäre das ein Beleg "für die enorme Dreistigkeit, mit der sich die Mitglieder der Terrorzelle in der Öffentlichkeit bewegt haben".

Die inhaftierte Zschäpe soll gemeinsam mit den Anfang November tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt der rechtsterroristischen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) angehört haben. Die jahrelang unentdeckt gebliebene Zelle soll zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordet haben. Außerdem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln 2001 und 2004 mit insgesamt 23 Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. (dapd/afp)