Berlin..

Bettina Wulff besucht einen Empfang des Springer-Verlags, Christian Wulff sieht die mögliche Veröffentlichung seines Drohanrufs bei „Bild“ plötzlich gelassen: Mit überraschenden Zugeständnissen versuchen der Bundespräsident und seine Frau seit gestern, in die Offensive zu kommen. Die Kanzlerin gibt Rückendeckung, für eine Nachfolgedebatte sieht sie keinen Anlass.

Gut eine Woche nach Bekanntwerden von Wulffs Drohungen auf einer Mailbox des „Bild“-Chefredakteurs Kai Diekmann, mit der Wulff einen ersten Bericht über die Kreditaffäre stoppen wollte, relativierte der Präsident gestern seinen Widerstand gegen eine Veröffentlichung der Nachricht: Die Medien und insbesondere die „Bild“-Zeitung müssten selbst entscheiden, ob sie die Abschrift veröffentlichten, sagte Wulff-Anwalt Gernot Lehr. „Wenn sie das tun will, dann mag sie es tun, das muss sie selbst in eigener Verantwortung entscheiden. Es ist nicht richtig, dass hier eine große Angst besteht vor einer Veröffentlichung“, betonte Lehr, der aber von einem „Tabubruch“ sprach.

Lehr bekräftigte zugleich Wulffs Darstellung, der Präsident habe mit dem Anruf die Veröffentlichung des Berichts verschieben, aber nicht verhindern wollen.

Aus den bereits öffentlich gewordenen Auszügen geht wie berichtet hervor, dass Wulff tatsächlich um eine Verschiebung des Berichts um einen Tag bat, den Journalisten aber zugleich mit strafrechtlichen Konsequenzen drohte und von „Krieg“ sprach, was die Berichterstattung offenbar doch verhindern sollte. Einen ähnlichen Anruf erhielt auch Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner. Deshalb erregte es gestern Aufsehen, dass wenige Stunden nach der freundlichen Erklärung des Wulff-Anwalts Bettina Wulff überraschend den Neujahrsempfang der Springer-Zeitung „Hamburger Abendblatt“ besuchte. Die Präsidenten-Gattin mischte sich lächelnd unter die Gäste und war begehrtes Motiv für die Fotografen. Springer-Reporter berichteten danach, Frau Wulff hoffe nun auf „Ruhe für ihre Familie“.

Deckung und Missfallen

Weitere versöhnliche Auftritte sollen diese Woche im Schloss Bellevue folgen, darunter am Donnerstag der Neujahrsempfang für die Spitzen der Politik, Repräsentanten des öffentlichen Lebens und verdiente Bürger: „Die Bundeskanzlerin freut sich auf ein Wiedersehen mit dem Bundespräsidenten“, erklärte vorab Regierungssprecher Steffen Seibert. Er versicherte, Merkel sehe keine Veranlassung, über eine Nachfolge für das Amt des Bundespräsidenten nachzudenken. Dass es Absprachen der Koalitionsspitzen für den Fall eines Rücktritts gibt, dementierte Seibert erneut – was nicht bedeutet, dass in der Koalition keine Überlegungen über potenzielle Nachfolgekandidaten angestellt würden. Ohnehin sorgt Merkel dafür, dass trotz Rückendeckung für Wulff ihr Missfallen über die Vorgänge sichtbar bleibt: „Die Bundeskanzlerin hat nicht die Gepflogenheit, Journalisten oder Chefredakteure anzurufen“, sagte Seibert, deshalb müsse sie ihr Telefonverhalten jetzt auch nicht ändern.

Die SPD bekräftigte den Appell, Merkel solle Wulff zum Rücktritt auffordern und so für einen „Befreiungsschlag“ sorgen. Das Angebot der SPD zur Suche nach einem überparteilichen Nachfolge-Kandidaten bleibe trotz zunächst „rüder Absagen“ der Union erhalten, sagte Generalsekretärin Andrea Nahles.

SPD und Grüne favorisieren für eine mögliche Kandidatur intern erneut Joachim Gauck, mehrere SPD-Abgeordnete plädierten gestern bereits offen für seine Nominierung im Fall eines Wulff-Rücktritts.