Berlin. Wirtschaftsexperten kritisieren das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld. Auch die Institute RWI, HWWI und DIW können die Entscheidung von Schwarz-Gelb nicht nachvollziehen. Das Betreuungsgeld konterkariere “tendenziell das Ziel einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen“, heißt es.
Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft fordern von der Bundesregierung einen Verzicht auf das Betreuungsgeld. Kritik an dem Vorhaben der schwarz-gelben Koalition kam am Freitag auch von den Wirtschaftsforschungsinstituten HWWI, RWI und DIW.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, sagte der Nachrichtenagentur dapd: "Das Betreuungsgeld könnte dazu führen, dass gerade Familien aus bildungsfernen Schichten die Möglichkeiten einer Kinderbetreuung und damit einen ersten Baustein frühkindlicher Bildung nicht in Anspruch nehmen." Die frühkindliche Förderung sei aber entscheidend für den weiteren Bildungsweg.
Deshalb plädiere er dafür, "sich auf den ohnehin stockenden Ausbau der Kinderbetreuung zu konzentrieren - und ansonsten der Konsolidierung Vorrang vor neuen Wohltaten zu geben". Driftmann betonte ferner, das Betreuungsgeld konterkariere "tendenziell das Ziel einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen".
Handwerk mahnt ausreichende Kitaplätze an
Handwerkspräsident Otto Kentzler sagte, ausreichende Krippen- und Kitaplätze seien für weibliche Fach- und Führungskräfte unabdingbar, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Von den selbst gesetzten Zielen sei "die Politik jedoch meilenweit entfernt". Kentzler mahnte in einem dapd-Interview: "Erst wenn diese Infrastruktur steht, darf die Politik damit beginnen, sich weitere Wohltaten zu überlegen."
Auch der RWI-Präsident und "Wirtschaftsweise" Christoph M. Schmidt warnte, es dürfe keine Anreize dafür geben, "dass Mütter keine Erwerbstätigkeit aufnehmen". Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass mit dem Betreuungsgeld "einzelne Eltern dazu angeregt werden, ihren Kindern öffentliche Betreuung vorzuenthalten". Schmidt fügte hinzu: "Nicht zuletzt aufgrund des erheblichen finanziellen Volumens des Betreuungsgeldes sollte dieses gestoppt werden."
Der HWWI-Direktor Thomas Straubhaar kritisierte, das Betreuungsgeld sende in mehrfacher Hinsicht die falschen Signale aus. So hebele es "den mühsam errungenen Verdienst des Elterngeldes aus, Mütter zu einer etwas zügigeren Rückkehr in das Erwerbsleben zu bewegen".
Straubhaar fügte in einen dapd-Interview hinzu, das Betreuungsgeld sei "ein Rückschritt hin zur traditionellen Aufgabenteilung der Geschlechter". Es schade "gerade jenen Kindern, die von der institutionellen Betreuung im Kleinkindalter am meisten profitieren würden".
DIW: Geld in öffentliche Betreuung kleiner Kinder stecken
Der DIW-Vorstandsvorsitzende Gert Wagner sagte: "Es ist heutzutage schwer nachzuvollziehen warum der Staat Eltern dafür Geld geben soll, damit sie zu Hause bleiben und ihre Kinder erziehen. Zu Hause bleiben wollen ja nur noch ganz wenige Eltern." Besser wäre es, "das Geld in die öffentliche Betreuung kleiner Kinder zu stecken".
Das helfe "gerade Kindern aus bildungsfernen Familien", betonte Wagner. Zudem würden dann "gut Ausgebildete nicht aus Mangel an Betreuungsmöglichkeiten von Beruf und Karriere abgehalten". Wagner fügte hinzu: "Deutschland fördert die Hausfrauenehe sowieso schon massiv - vom Ehegattensplitting über Minijobs bis hin zur kostenlosen Mitversicherung in der Sozialversicherung."