Berlin. . Ein breites Frauen-Bündnis über alle Parteigrenzen hinweg setzt sich ein für eine verbindliche Frauenquote für Führungspositionen. Im Visier haben sie dabei nicht nur die Männer, sondern auch Angela Merkel und die Familienministerin Kristina Schröder.
Zwei Stunden stand die „Berliner Erklärung“ am Donnerstagmittag im Netz, da hatten schon mehr als hundert neue Unterstützer unterschrieben: für eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsräten. Die Kampagne ist ein Sonderfall der deutschen Politik. Frauen aus allen sechs Bundestagsfraktionen haben ein gemeinsames Ziel. Die Wirtschaft soll weiblicher werden. Per Gesetz.
„Wir wollen, dass Schluss ist mit männerdominierten Chefetagen. Wir wollen verwirklichen, was uns die Wirtschaft seit zehn Jahren verspricht.“ Bis Ostern will CDU-Frau Rita Pawelski mit ihren Parlamentskolleginnen warten. Dann soll die „Berliner Erklärung“ mit möglichst vielen Unterschriften an Angela Merkel gehen. Die Kanzlerin und auch ihre Familienministerin lehnen eine gesetzliche 30-Prozent-Quote strikt ab. Doch bislang gab es auch noch keine öffentliche Kampagne wie diese.
Zum Glück zwingen
„Manchmal muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen.“ CSU-Politikerin Dorothee Bär lässt an diesem Mittag in Berlin offen, ob sie damit auch die CDU-Ministerin Kristina Schröder meint, die an einem Gesetzentwurf für eine flexible Quote arbeitet und sich scheut, der Wirtschaft allzu feste Vorgaben zu machen. Die „Berliner Erklärung“ senkt dazu jedenfalls den Daumen: Alle Versuche, die auf Freiwilligkeit setzen, „sind gescheitert“.
Schröders Parteikollegin Rita Pawelski ist es regelrecht leid, die Unternehmen mit Samthandschuhen anzufassen: Was müsse man da immer hören? Es gebe nicht genug gut qualifizierte Frauen, um bis 2018 ein Drittel der Aufsichtsräte weiblich zu besetzen? „Wer das nicht schafft, muss sich fragen, ob er die richtige Personalpolitik macht.“
Weibliche Führungskräfte
Ähnlich sagt es auch Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Für Spitzenjobs in klassischen Branchen müsse man nicht zwangsläufig Ingenieurin sein. Für Führungsaufgaben brauchen Unternehmen heute zunehmend Wirtschaftsfachleute und Juristen – „und dort haben mindestens so viele Frauen Abschlüsse wie Männer“.
Für Rita Pawelski sind die meisten Argumente gegen die Quote „kunstvoll konstruierte Vorurteile der Alte-Herren-Netzwerke“. Deswegen bilden die Parlamentarierinnen jetzt selbst ein Gegen-Bündnis: Mit ihrer Prominentenliste haben sie gestern den ersten Punktsieg gelandet. Wenn Mediengrößen wie „Bild“-Verlegerin Friede Springer mit der kampagnenerprobten Alice Schwarzer gemeinsame Sache machen, muss auch Angela Merkel hellhörig werden.
Keine Frage von Rechts oder Links
Ähnlich dürfte es der FDP-Führungsriege gehen, die zwar gerade andere Sorgen hat, aber doch registrieren wird, dass hier eine Liberale ausschert: Die Frauenquote sei „keine Frage mehr von Rechts oder Links“, sagt die FDP-Politikerin Sibylle Laurischk. Es ist eine Frage von Mehrheiten. Ob sie sich an diesem Morgen einsam fühlt? „Nein“, sagt sie und lächelt. Sie sei hier doch umgeben von vielen starken Frauen.
2013 ist ein wichtiges Jahr für das Bündnis, weil dann viele Aufsichtsräte für fünf Jahre neu besetzt werden. Die Aufsichtsräte berufen und kontrollieren die Vorstände, eine gesetzliche Quote ist hier erprobt, viele europäische Länder haben sie längst eingeführt. Und auch die EU pocht seit langem auf mehr Gleichstellung in der Wirtschaft.
Empfindliche Strafen
Käme es in Deutschland zu einem Quotengesetz, sollten die Unternehmen nach dem Willen der Initiatorinnen bis 2018 Zeit haben, die 30-Prozent-Marke zu erreichen. Und wenn nicht? Konkrete Strafen sind noch nicht ausgearbeitet. Die Rede ist von „empfindlichen“ Sanktionen. „Wir sind da sehr kreativ“, sagt die Grüne Ekin Deligöz.