Essen. Die Innenminister der Länder wollen die NPD verbieten. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Denn schon der Antrag ist mit vielen Hürden verbunden und bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet, vergehen mindestens noch fünf Jahre. Trotzdem ist es wohl die letzte Chance für einen Verbotsantrag.
Die Innenminister der Länder
haben angekündigt, noch diese Woche ein Verbot der rechtsextremen NPD auf den Weg zu
bringen. Bis das Bundesverfassungsgericht allerdings ein Verbot ausspricht –
oder auch nur darüber entscheidet – werden noch Jahre vergehen.
Der Antrag muss zeigen, dass die NPD die Verfassung aktiv bekämpft
Nur das Bundesverfassungsgericht darf über das Verbot einer Partei entscheiden. Den Antrag dürfen laut Grundgesetz nur Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung
stellen. Im Falle der NPD werden es wohl die Innenminister der Länder sein, die über den Bundesrat den ersten Schritt machen. Das ist ein gewaltiger Auftrag. Denn sie müssen in dem Antrag nachweisen, dass die NPD die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft.
Nur wenn klar wird, dass die rechtsextreme Partei der Demokratie aktiv schadet, können die Verfassungsrichter ein Verbot aussprechen. Weniger reicht nicht, da sind die Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts eindeutig: "Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die
obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung
nicht anerkennt", heißt es dort, "es muss vielmehr eine aktiv kämpferische,
aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen."
Die Verhaftung von NPD-Funktionär Ralf Wohlleben ist nicht der große Wurf, als der er verkauft wird
Genauso wenig reicht es, dass einzelne Parteifunktionäre mit der rechtsextremen Terrorgruppe "NSU" sympathisieren. Selbst wenn einzelne NPD-Mitglieder die Terroristen aktiv unterstützt haben sollten, reicht das laut dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, nicht für ein Verbot der ganzen Partei. Die Verhaftung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Thüringer NPD, Ralf Wohlleben, wäre demnach nicht die ganz große Chance auf ein NPD-Verbot, wie es Politiker derzeit gern darstellen.
Ermittler und Politiker müssen also äußerst gründlich vorgehen. Bis der Antrag fertig ist und ans Bundesverfassungsgericht geschickt werden kann, dauert es zwei bis drei Jahre, schätzt ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
V-Leute müssen vor der Verfassungsgerichts-Prüfung abgezogen werden
Spätestens dann, wenn der Verbotsantrag beim Verfassungsgericht eingeht, müssten die Verfassungsschützer ihre V-Leute nach Meinung vieler Experten abziehen. Denn der letzte Versuch, die NPD zu verbieten, scheiterte 2003 nicht daran, dass das Verfassungsgericht den Antrag der Innenminister und des Bundestags aus inhaltlichen Gründen ablehnte. So weit kamen die Verfassungsrichter gar nicht. Weil die Parteispitze mit Spitzeln der Verfassungsschützer durchsetzt war, lehnten die Richter es ab, über die mutmaßliche Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu befinden. Durch die dauerhafte Anwesenheit von V-Leuten konnten die Richter nicht beurteilen, ob die Partei selbst verfassungsfeindlich sei oder es ob die staatlichen Spitzel waren, die die entscheidenden Akzente setzten.
Die SPD-geführten Länder haben ihre V-Leute nach Angaben von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit schon jetzt aus der NPD zurückgezogen. Innenpolitiker der CDU schrecken vor diesem Schritt jedoch zurück: Sie fürchten, die Kontrolle über die rechtsextreme Szene zu verlieren, wenn sie keine Informationen mehr aus der Partei erhalten.
Die Innenminister stehen vor einem Dilemma: Solange die V-Leute in der NPD aktiv sind, droht ein Verbotsantrag an ihnen zu scheitern. Werden die Spitzel allerdings abgezogen, gibt es niemanden, der die Verfassungsfeindlichkeit der NPD bezeugen könnte.
So prüft das Bundesverfassungsgericht
Denn das Bundesverfassungsgericht hat keine eigenen Ermittler und erst recht keine V-Leute. Die acht Richter des zweiten Senats, der am Karlsruher Gericht für Parteiverbots-Verfahren zuständig ist, prüfen als erstes den Antrag der Innenminister. Wenn dieser keine formalen Mängel, wie zum Beispiel das V-Leute-Problem aufweist, eröffnen sie die Verhandlung. Dort vernehmen die Richter Zeugen und Experten, bevor sie sich selbst ein Urteil bilden.
Zum Verbot der Partei kommt es nur, wenn am Ende mindestens sechs der acht Richter dafür stimmen. Mit dieser "qualifizierten Zweidrittelmehrheit" unterstreicht das Grundgesetz die hohen Anforderungen an ein Parteiverbot.
Zwei Jahre prüfte das Verfassungsgericht die Formalitäten
Beim letzten Versuch legte die Bundesregierung ihren Antrag im Januar 2001 beim Verfassungsgericht vor, Bundesrat und Bundestag reichten ihre Anträge zwei Monate später nach. Das Gericht verkündete seine Entscheidung am 18. März 2003 - ziemlich genau zwei Jahre später. Diese Zeit brauchten die Richter allein für die formale Überprüfung des Antrags. Mit der inhaltlichen Frage hatten sie sich gar nicht auseinandergesetzt.
Da das Bundesverfassungsgericht noch immer überlastet ist, wird die erneute Prüfung eines NPD-Verbots nicht schneller gehen. Im Gegenteil: Im Erfolgsfall, wenn der Antrag also keine formalen Fehler enthält, brauchen die Verfassungsrichter noch länger, da sie sich dann noch mit der inhaltlichen Frage, ob die NPD also verfassungsfeindlich ist oder nicht, auseinandersetzen müssen
Das passiert, wenn die NPD tatsächlich verboten wird
Das Parteiverbot hätte für die NPD drastische Konsequenzen. Denn die Partei würde auf einen Schlag alle Mandate in Land- und Kreistagen verlieren. Zudem würde die Parteikasse eingezogen und der Partei somit die finanzielle Grundlage entzogen.
Gleichzeitig wäre es den NPD-Mitgliedern verboten, neue Vereine oder Parteien zu gründen, die auf der gleichen oder einer ähnlichen Weltanschauung fußen.
Und wenn die Verfassungsrichter den Verbotsantrag ablehnen?
Wenn die Richter den Verbotsantrag aus inhaltlichen oder formalen Gründen ablehnen, wäre das eine Blamage für die Innenminister. Höchstwahrscheinlich würde sich auf absehbare Zeit niemand mehr an ein neues Verbotsverfahren herantrauen. Die Rechtsextremen wären die einzigen Sieger.