Straßburg. . Die Bundesregierung ist wegen ungerechtfertigtem Freiheitsentzug vor dem Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. In dem Fall ging es um zwei Demonstranten, die vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm in Gewahrsam genommen worden waren und erst Tage später wieder freigelassen wurden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die mehr als fünftägige Ingewahrsamnahme zweier junger Männer im Vorfeld der Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm gerügt. Ein so langer Freiheitsentzug sei nicht gerechtfertigt gewesen, stellten die Straßburger Richter am Donnerstag fest. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte zu AFP, das Urteil stärke das Demonstrationsrecht.
Die Richter wiesen Deutschland an, den beiden 26 Jahre alten Klägern je 3000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Die Beschwerdeführer waren am 3. Juni 2007 in Rostock festgenommen worden - fünf Tage vor Beginn des Gipfels in Heiligendamm. In ihrem Fahrzeug stellte die Polizei Transparente mit der Aufschrift „freedom for all prisoners“ und „free all now“ sicher. Das Amtsgericht in Rostock ordnete daraufhin eine Ingewahrsamnahme bis zum 9. Juni nachmittags an. Damit wurden die Männer daran gehindert, an den Demonstrationen der Gipfelgegner teilzunehmen.
Transparente sollen zur Befreiung von Häftlingen aufgerufen haben
Begründet wurde der Freiheitsentzug mit den Transparenten, die in den Augen des Gerichts zur Befreiung von Häftlingen aufriefen. Die Männer seien offenbar in Begriff gewesen, eine Straftat zu begehen oder zu einer Straftat anzustiften. Das Oberlandesgericht in Rostock schloss sich dieser Annahme an. Im August 2007 lehnte es dann das Bundesverfassungsgericht ab, eine Beschwerde der beiden Männer zuzulassen.
Der Gerichtshof für Menschenrechte wertete das Vorgehen der deutschen Behörden allerdings jetzt als Verstoß gegen die Grundrechte auf Freiheit sowie Versammlungsfreiheit. Die Kläger seien keiner Straftat schuldig befunden worden.
Das Demonstrationsrecht als Grundrecht „kann und darf keinesfalls so stark eingeschränkt werden, wie das bei den Protesten in Heiligendamm der Fall war“, sagte Roth. „Das sei auch der Union gesagt, aus deren Reihen immer noch viel zu oft Demonstranten beschimpft und Proteste diffamiert werden, wie erst jüngst wieder bei den Protesten gegen den Castor-Transport im Wendland.“ (afp/dapd)