München. Bei Demonstrationen gegen den Castor-Transport ins Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben ist es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Ein Amateur-Video zeigt, wie Aktivisten Polizisten mit Holzpfählen bewerfen - aber auch rüde schubsende Polizisten.

Obwohl der Castor-Transport sein Ziel noch gar nicht erreicht hat, konnten sich Internetnutzer am Wochenende bereits gleich von mehreren Szenen der gewaltsamen Proteste ein eigenes Bild machen. Eine Gruppe von Amateurfilmern namens "Filmpiraten" stellte dafür mehrere Aufnahmen frei zugänglich ins Netz, bei denen Polizisten und Anti-Atomkraft-Aktivisten aufeinanderprallten - darunter auch die Konfrontation vor einem Camp in Metzingen in der Nacht zu Samstag.

Die Aufnahmen, die teils zusammengeschnitten waren und damit durchaus ein lückenhaftes Bild zeigten, dokumentierten zumindest Teile der Gewalt beider Seiten. So zeigten die Aufnahmen aus dem Wendland eindeutig, dass die Beamten nicht nur mit Steinen und Flaschen, sondern von Aktivisten trotz angedrohter Durchgriffe auch mit Holzpfählen beworfen wurden. Viele Aktivisten skandierten zudem beim Aufeinandertreffen mit den Beamten "Wir sind friedlich - was seid ihr?", zeigten den Beamten in ein und demselben Moment aber auch demonstrativ die Mittelfinger und bewarfen sie weiter.

Mehr als 200 Verletzte beim Castor-Transport

Bei den Protesten gegen den Castor-Transport sind bis Sonntagabend mehr als 200 Verletzte gemeldet worden. Bei etwa 160 Demonstranten handle es sich um Folgen der Schlagstock- und Reizgaseinsätze der Polizei, sagte eine Sprecherin der Rettungszentrale der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz in Dannenberg auf dapd-Anfrage. Mindestens drei Demonstranten wurden demnach schwer verletzt.

Die Polizei vermeldete 51 verletzte Einsatzkräfte, mehrere von ihnen seien dienstunfähig. Zudem seien 16 Polizeiwagen beschädigt worden. Mehrere Personen wurden festgenommen. Auch zwei Sanitäter erlitten den Angaben der Rettungszentrale zufolge Verletzungen.

Aktivisten provozieren die Polizei

Mit ihren Aufnahmen hielten die Amateure ebenfalls fest, wie wenig zimperlich die Beamten mit den Demonstranten umgingen, um die Aktivisten von einer Straße in Metzingen zu vertreiben. Sie drängten die teils sehr hartnäckigen Aktivisten in ihr Lager zurück, das traditionell auch militante Castor-Gegner beherbergt. Ein junger Mann, der sich im Film als Anwohner ausgab, zeigte sich zudem entsetzt. Die Beamten würden "wieder keine Gesetze" achten und hätten sein eigenes Grundstück "ohne Grund" betreten.

Die Polizei setzte dafür unter anderem Wasserwerfer ein und trieb die Widerständler vor sich her, indem Gruppen aus Polizisten immer wieder vorpreschten und Aktivisten ruppig weiter schubsten. Zuvor kündigte die Polizei ihr Vorgehen jedoch mehrfach an. Die Aktivisten beschimpften und bewarfen die Beamten dennoch weiter. Diese Bilder decken sich mit Eindrücken, die dapd-Reporter vor Ort gewannen.

Auch Räumung der B 216 im Bild

In einer weiteren Aufnahme der "Filmpiraten" zeigte sich ein sehr ähnliches Bild: In der Nacht zu Donnerstag blockierten Aktivisten nach dem traditionellen Laternen-Umzug gegen den Castor-Transport bei Metzingen die Bundesstraße 216. Die Bilder dokumentierten, dass sich Hunderte Gegner des Atommüll-Transportes weigerten, offensichtlich unbeteiligte Fahrzeuge die B 216 wieder nutzen zu lassen. Auch hier kündigten die Beamten die Räumung an. Die Aktivisten skandierten jedoch "Haut ab, haut ab!", riefen den Beamten allerdings auch zu: "Gebt uns doch mal ein paar Möglichkeiten zur Demonstration!" Der Castor-Transport sei schließlich noch in Frankreich, hieß es.

Diese Aufnahme von Donnerstagabend war indes keine drei Minuten lang und wies damit noch deutlichere Lücken auf als der Film von der Auseinandersetzung direkt in Metzingen. So war nicht zu sehen, dass die Aktivisten die Beamten bewarfen: Nach einem Schnitt war unmittelbar ein Wasserwerfer im Einsatz. Ein drittes Video hielt die Auswirkungen der "Rallye Monte Göhrde" fest und zeigte demolierte Polizeifahrzeuge und Beamte, die Schienen von Gegenständen befreiten.

Nach den genannten Aktionen meldeten die Beteiligen Verletzte auf beiden Seiten. Mit Stand Samstagabend zählte die Polizei insgesamt am Rande des Castors weit mehr als zwei Dutzend verletzte Beamte. Von den Aktivisten engagierte Rettungskräfte meldeten wiederum mehr als 100 Gewaltopfer. Die Zahlen fachten Diskussionen darüber an, wie gewaltsam der Protest gegen den Atommüll-Transport sein darf. Daten zu Verletzten vom Sonntag lagen zunächst verlässlich nicht vor.

Die Videos sind hier und hier im Internet zu sehen.

Der Castor-Transport hat am Sonntagabend um 20.00 Uhr nach einer eineinhalbstündigen Pause den Bahnhof Dahlenburg verlassen. Das berichtete ein dapd-Reporter vor Ort. Der Zug fuhr weiter Richtung Dannenberg, wo die elf Atommüll-Behälter für die letzten etwa zwanzig Kilometer zum Zwischenlager in Gorleben auf Lkw verladen werden müssen.

Der Zug fuhr damit auf eine Blockade nahe dem nur neun Kilometer entfernten Hitzacker zu. Wie Mitarbeiter der dapd berichteten, waren bei der Abfahrt des Zuges noch immer vier Castor-Gegner über eine in einer Betonpyramide versteckten Konstruktion an die Gleise gekettet. Die Aktivisten der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" hatten am Abend gefordert, der Zug möge "zurückfahren". Wohin, das sagten sie nicht.