Berlin/Dannenberg. Während der Zug mit Atommüll wegen Blockaden von Aktivisten immer wieder pausieren muss, protestieren Tausende Menschen in Dannenberg gegen den Castor-Transport. In der Nacht hatte es erneut Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gegeben.

Zehntausende Atomkraftgegner und mehr als 400 Bauern mit Traktoren haben am
Samstag in Dannenberg gegen den 13. Castor-Transport nach Gorleben protestiert.
Nach zwei Auftaktdemonstrationen sammelten sich die Castor-Gegner unter vielen
gelben "Atomkraft Nein Danke"- und grünen "Gorleben soll leben"-Fahnen auf einem
Acker am Stadtrand zur zentralen Protestkundgebung gegen den
Atommülltransport.

Die Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, Kerstin
Rudek, sprach von 23.000 Menschen auf dem Kundgebungsplatz und zeitgleich 2.500
Protestlern an der Bahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg. Die vielen Menschen
und Traktoren zeigten, "dass die Anti-Atomkraft-Bewegung quicklebendig ist",
sagte sie. Rudek forderte eine Ende des "rein politisch motivierte
Endlagerprojekts Gorleben". Der Salzstock sei zur Atommüllagerung
ungeeignet.

Die Polizei sprach vom "maximal 8.000 Demonstranten und maximal 400
Bauern mit Traktoren". Die "Bäuerliche Notgemeinschaft" zählte nach Angaben
ihres Sprechers Carsten Niemann 452 mit Schleppern protestierende Landwirte.

Riesiges "X" als Protestsymbol

Die Demonstranten bildeten auf dem Kundgebungsplatz mit gelben
Tüchern ein großes "X", das Protestsymbol gegen Atommülltransporte ins
Zwischenlager Gorleben. Anders als bei der Großkundgebung gegen den
Castor-Transport des vergangenen Jahres waren kaum Fahnen von Parteien oder
Gewerkschaften zu sehen.

Der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, kritisierte den
beschlossenen Atomausstieg als zu zögerlich. "Wir werden nicht hinnehmen, dass
bis 2022 Atomkraftwerke laufen sollen", sagte er. Weiger dankte den AKW-Gegnern
aus dem Wendland für ihr Engagement: "Ohne euren Einsatz wäre die
Bundesregierung nicht gezwungen gewesen, die Laufzeitverlängerung
zurückzunehmen", sagte er.

Wie schon am Tag zuvor gab es auch in der Nacht zum Samstag zahlreiche Zusammenstöße zwischen Atomkraftgegnern und der Polizei. Polizeisprecher berichteten von über einem Feldweg gespannten Metallketten: "Hier ging es scheinbar nicht darum, gegen den Castortransport zu protestieren, sondern die Einsatzkräfte gezielt anzugreifen und zu verletzten." In Metzingen an der Straßentransportstrecke seien Polizisten von rund 200 Atomkraftgegnern massiv angegriffen und mit Steinen und pyrotechnischen Gegenständen beworfen worden. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein, mehr als 20 Beamte seien verletzt worden.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die Atomkraftgegner dagegen kritisierten das Verhalten der Polizei. Die Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek, sprach von einem "hohen Aggressionspotenzial" der Beamten. Sie bezog sich insbesondere auf einen Einsatz in der Nacht zum Samstag in der Ortschaft Metzingen, rund 25 Kilometer von Gorleben entfernt. "Die Polizei war sehr aggressiv", sagte Rudek. "Die Menschen fühlten sich bedroht." Es habe einen Schlagstockeinsatz gegeben sowie einen Hundebiss. 20 Menschen seien verletzt worden.

Am Samstagmorgen gegen 7.00 Uhr hatte der Zug bei Hann.-Münden die Landesgrenze von Hessen nach Niedersachsen passiert und war dann bei Friedland durch Blockierer auf den Gleisen erneut zum Stillstand gekommen. Wie bei Friedland hatten Atomkraft-Gegner schon zuvor den Zug auf seiner am Mittwochnachmittag in Frankreich begonnenen Fahrt mehrfach zum Stopp gezwungen, teilweise für mehrere Stunden.

Sturmtief könnte Weiterfahrt verzögern

Neben den Aktionen von Atomkraftgegnern drohen dem Castor-Transport noch ganz andere Widerstände: Ein durchziehendes Sturmtief könnte das Umladen der Atommüllbehälter in der Verladestation Dannenberg deutlich verzögern. Sowohl der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach als auch das Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation bestätigten, dass für Samstag und Sonntag im Wendland Winde der Stärken acht und neun zu erwarten sind. Damit wäre ein Verladen der Behälter unmöglich.

Ein Sprecher der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) als Betreibergesellschaft des Zwischenlagers Gorleben sagte am Freitagabend: "Ab Stärke sieben ist das Umladen der Behälter einzustellen." Winde seien für die Verladung derart gefährlich, dass es an der Umladestation im Wendland "extra einen Windmesser" gebe. Wenn es zu stürmisch wird, sei das Rezept klar: "Dann können wir nur warten, bis sich der Wind legt."

Der Castorzug war am Mittwoch nahe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Nordfrankreich gestartet. Auf dem Weg bis nach Niedersachsen zwangen Kernkraftgegner den Zug bereits zu etwa einem halben Dutzend kurzer Stopps. Samstagmittag musste der Zug dann hinter Hannover halten, für wie lange, war zunächst unklar.

Der Castor-Transport ist der letzte mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in La Hague in Frankreich. In ganz Deutschland sind während des Transports rund 19.000 Polizisten im Einsatz.(dapd/afp)