Essen/Hofgeismar. . Zwei Verfassungsschutz-Leute rücken in den Ermittlungen um die Zwickauer Terror-Zelle immer mehr ins Zwielicht. Gegen einen Mitarbeiter wurde ermittelt, weil er während eines Mordes am Tatort gewesen sein soll. Der andere musste wegen V-Mann-Affären gehen.

Als „Kleinen Adolf“, als fanatischen Neonazi, der für den hessischen Verfassungsschutz arbeitete und bei mindestens einem der „Döner-Morde“ am Tatort gewesen sein soll, wollte ihn gestern in Hofgeismar bei Kassel keiner kennen.

Andreas T., der jetzt als „Kleiner Adolf“ in den Schlagzeilen auftaucht, wird von Nachbarn als brav beschrieben. Familienvater, Schützenbruder, Feuerwehrmann. Der Postbote spricht gegenüber Journalisten von einem „netten Kerl.“ Bernhard Klug, Bürgermeister von Trendelburg, in dessen Gemeinde T. früher lebte, kennt den Beschuldigten. Kleiner Adolf? „Das deckt sich nicht mit dem, was ich von ihm weiß“, sagt Klug der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“. T. sei konservativ, aber kein Nazi.

Vor Jahren geriet T., damals in Diensten des Landes-Verfassungsschutzes, ins Visier der Polizei. Die hatte erfahren, dass er kurz vor dem Mord an Halit Yosgat in einem Kasseler-Internet-Café am Tatort gewesen sein sollte. Einer vom Verfassungsschutz ist plötzlich Verdächtiger in der „Döner-Mord“-Serie! Am 21. April 2006 wird T. festgenommen und 24 Stunden lang verhört. Beamte stellen seine Wohnung auf den Kopf. Sie finden, so heißt es, Kopien aus „Mein Kampf“, ein Buch über Serienmorde und eine Waffe.

Geringe Verdachtsstufe

Nachweisen kann die Staatsanwaltschaft Kassel dem Beamten nicht, dass er von dem Mordanschlag wusste oder sogar daran beteiligt war. 2007 wird das Verfahren eingestellt. Schon früh hatte der Oberstaatsanwalt von einer „geringen Verdachtsstufe“ gesprochen. Für den Verfassungsschutz darf T. aber nicht mehr arbeiten, er bekommt einen Job im Regierungspräsidium in Kassel. Dann wird es still um ihn. Bis jetzt. Bis neue Ermittlungen ihn wieder in die Nähe der „Döner-Morde“ rücken.

Kein offizielles Statement gab es am Mittwoch über den Mann, dessen Spitzname angeblich „Klein Adolf“ ist. Die Polizei schweigt, die Staatsanwaltschaft Kassel auch. Alle zeigen auf den Generalbundesanwalt, der nun die Ermittlungshoheit hat. Und auch der meldet nur: „Keine Auskünfte.“ Im Regierungspräsidium hat der frühere Verfassungsschutz-Mitarbeiter einen Posten „ohne Publikumsverkehr“, wie Präsidiums-Sprecher Jörg Wiegel sagt. Viel war Mittwoch auch aus dem Hessischen Innenministerium nicht zu hören. Nur der Hinweis, dass an der Weiterbeschäftigung von T. im Regierungspräsidium nichts auszusetzen gewesen sei. Der Verdacht gegen ihn habe sich 2007 ja nicht erhärtet. Es sickert aber durch, dass T. vor seiner Versetzung offenbar die „VS-Freigabe“ einbüßte, eine Berechtigung, mit Geheimnissen umzugehen. Die Freigabe kann z. B. jemandem entzogen werden, der gegen das Waffengesetz verstößt.

Als kleiner Fisch im Geheimdienst-Sumpf erscheint Andreas T. im Vergleich mit Helmut Roewer, Chef der Thüringer Verfassungsschutzbehörde bis zu seinem unrühmlichen Abgang im Jahr 2000. Das ZDF hatte damals aufgedeckt, dass Thomas Dienel, ein bekannter Neonazi, als V-Mann für Roewers Behörde arbeitete. Der vorbestrafte Rechte hatte freimütig geäußert, mit dem Geld „massenweise“ Werbematerial finanziert zu haben. Die Landesgelder habe Dienel als „Spendengelder“ für die rechtsextreme Szene betrachtet.

Geld für Kameradschaft

Ein Jahr später geriet Roewer wegen einer weiteren Affäre um einen V-Mann in die Schlagzeilen: Die „Thüringer Allgemeine“ hatte aufgedeckt, dass der Neonazi Tino Brandt jahrelang unter dem Decknamen „Otto” für Roewers Behörde gearbeitet hatte. Das Geld, das er dafür erhielt, floss unter anderem in den Aufbau seiner Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“ – der auch die Gruppe um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angehörte.

Die V-Mann-Affären und andere Aktionen – als Buchautor in einem rechtslastigen Verlag, als Auftraggeber eines Filmes, der sich nicht klar vom Neonazitum distanzierte – rückten Roewer immer wieder ins Zwielicht. Was dazu führte, dass der Ex-Panzeroffizier auch jetzt wieder eine Aufmerksamkeit erhält, auf die er lieber verzichten würde. In einem MDR-Interview stritt er am Mittwoch die Vorwürfe ab: Das Nazi-Trio habe nie für seine Behörde gearbeitet und er habe Informanten nie aus privater Kasse bezahlt. Sein Nachfolger Thomas Sippel hatte das als „denkbar“ bezeichnet. Roewer: „Das ist die Behauptung eines Verrückten.“

Für die erfolglose Zielfahndung nach den späteren Mitgliedern der Zwickauer Terrorzelle übernehme er jedoch die Verantwortung. Dies sei seiner Behörde damals trotz einer „sehr aufwendigen Operation“ misslungen.