Berlin. . Welche Argumente für und gegen ein Verbot der NPD gibt es? Warum scheiterte ein Verbotsverfahren bereits? Quer durch alle Parteien wird derzeit diskutiert.

Die Debatte um einen NPD-Verbotsantrag ist nach der Aufdeckung der rechtsextremen Zwickauer Zelle erneut aufgeflammt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Gibt es neue Einsichten?

Zumindest bietet die jetzt aufgedeckte Mordserie des Jenaer Neonazi-Trios den Anlass der Debatte.

Wer kann ein Parteiverbot betreiben?

Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung, einzeln oder gemeinsam wie im Jahr 2001.

Wer hat das letzte Wort?

Das Bundesverfassungsgericht, dort der zweite Senat.

Wie hoch liegt dort die Messlatte?

Mindestens sechs der acht Richter müssen zustimmen. Das Verfahren gegen die KPD zog sich fünf Jahre hin. Der Antrag, die NPD zu verbieten, wurde 2003 gestoppt, bevor es auch nur zu einer mündlichen Verhandlung gekommen war.

Auf welche Kriterien achten die Richter?

Eine Partei muss sowohl verfassungsfeindliche Ziele verfolgen als auch eine „aktiv-kämpferische Haltung“ haben. Sie muss es darauf anlegen, die demokratische Grundordnung zu beseitigen.

Welche Folgen hätte ein Verbot der NPD?

Sie verlöre ihre Sitze in den Landtagen. Die Partei dürfte nicht mehr politisch aktiv sein. Ihre Organisation würde zerschlagen und ihr Vermögen eingezogen.

Kann ein Verbot unterlaufen werden?

Man verbietet eine Partei – nicht eine Ideologie. Neonazis können sich im Untergrund sammeln, mit verändertem Programm sogar eine neue Partei auf die Beine stellen. „Ein Erfolg birgt das Risiko, dass wir nicht mehr in die Strukturen der Partei reingucken können“, hieß es gestern im Innenministerium.

Wann könnte es zum Verbot kommen?

Viele in Berlin betrachten die Debatte als „verfrüht“, etwa der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. Erst einmal müsste das Umfeld der Neonazi-Zelle ausgeleuchtet werden. Sollte es Querverbindungen zur NPD geben, würde es die Debatte befördern. Der Aufwand ist aber sehr groß. Der letzte Antrag, die NPD zu verbieten, ging am 30. Januar 2001 beim Bundesverfassungsgericht ein und umfasste 600 Seiten an Material.

Was sind die Argumente für ein Verbot?

Die Befürworter glauben, dass die NPD das geistige Umfeld für den Extremismus schafft. Sie halten sie für „wesensverwandt“ mit der Hitler-Partei NSDAP. „In Anbetracht unserer Geschichte können wir uns so etwas gar nicht leisten“, meint der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Viele empören sich auch, weil die Partei staatlich finanziert wird. Im Verbotsantrag von 2001 hieß es: Die NPD lege die Basis „für die organisierte Unterwanderung des Rechtsstaates“, vergifte das politische Klima, erzeuge Angst und verführe junge Menschen zu gewalttätigem Fremdenhass.

Warum ist das Verfahren im März 2003 gescheitert?

Es stellte sich heraus, dass der Kronzeuge – ein Mitglied des NPD-Vorstands – V-Mann des Verfassungsschutzes war. Das genügte drei Richtern, um das Verfahren abzulehnen. Man muss sicherstellen, dass der Staat nicht indirekt die Partei steuert und die Bedingungen für ein Verbot herbeiführt. Sie verlangten ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit des Verfahrens. Noch bei ihrem Abschied aus Karlsruhe sagte die Richterin Lerke Osterloh im Januar 2011, sie hoffe, die Regierenden würden nie wieder versuchen, „mit dem Gericht ein Blindekuh-Spiel zu betreiben.“

Wären die Erfolgsaussichten heute höher?

Vermutlich, aus drei Gründen: Die drei Richter, die sich damals querlegten, sind nicht im Amt. Die Nachfolger können zu einem anderen Ergebnis kommen. Politiker wie Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) ziehen in Betracht, die V-Männer für die Dauer eines Verfahrens abzuziehen. Sollte sich der Verdacht einer braunen Terrorgruppe erhärten, muss das Risiko abgewogen werden.