Washington. . Ein Jahr vor dem Wahltermin am 6. November 2012 sind die Zustimmungsraten für den ersten afro-amerikanischen Präsidenten tief in den Keller gerutscht.

Amerikaner sind eigentlich gutwillige Leute. Wenn ein Präsident nach vier Jahren im Weißen Haus Lust auf eine Verlängerung hatte, dann bekam er sie in der jüngeren Vergangenheit auch meist genehmigt. Nur zwei der acht letzten Chefs, George Bush und Jimmy Carter, blieb die zweite Amtszeit verwehrt. Barack Obama könnte der Dritte im Bunde werden.

Ein Jahr vor dem Wahltermin am 6. November 2012 sind die Zustimmungsraten für den ersten afro-amerikanischen Präsidenten tief in den Keller gerutscht.

Ob bei der jüdischen oder hispanischen Bevölkerung, ob bei der weißen Arbeiterklasse oder in der afro-amerikanischen Gemeinde: Allerorten hat die Strahlkraft des „Yes, we can“-Hoffnungsträgers enorm eingebüßt. Die mit 9 Prozent gefährlich hohe Arbeitslosenquote, das Desaster auf dem Immobilien-Markt und die schwindelerregende Schuldenlast der öffentlichen Haushalte machen den 50-Jährigen zwölf Monate vor dem Urnengang fast zum Außenseiter.

Dass Obama mit der umstrittenen Krankenversicherung für alle („Obama-Care“), diversen Korrekturen an den Finanzmärkten, dem angekündigten Rückzug der Truppen aus dem Irak und der gezielten Tötung hoher El-Kaida-Kader (Bin Laden) Erfolge für sich beansprucht, dringt in der öffentlichen Diskussion kaum durch. Alles wird von der Lage im Portemonnaie überlagert.

Die Tatsache, dass Obama 2008 ein außerordentlich schweres Erbe antrat, weil die USA finanziell ausgelaugt waren und durch die Bush-Jahre international viel Reputation eingebüßt hatten, bietet ihm keinen Schutz mehr. Das Gros der Bevölkerung will – ökonomisch – Besserung sehen.

Dass Obama mit seiner 450 Milliarden Dollar schweren Konjunkturspritze, die vor allem die marode öffentliche In­frastruktur aufpäppeln und Arbeitsplätze schaffen soll, seit Wochen an der auf Totalblockade getrimmten republikanischen Partei im Repräsentantenhaus wie im Senat scheitert, fällt dem Amtsinhaber nicht auf die Butterseite.

Viele Wähler, auch in der politischen Mitte, sind inzwischen gewillt, im Zwei-Parteien-Land einem Republikaner die Lizenz zum Führen zu geben. Vorausgesetzt, die von ei­nem radikalen Flügel, der Tea-Party, innerlich zerriebene Partei kann einen konsensfähigen und überzeugenden Kandidaten präsentieren.

Danach sieht es heute noch nicht aus. Das schillernde Bewerberfeld der „Grand Old Party“, in dem sich radikale Populisten (Michele Bachmann), libertäre Staatsverächter (Ron Paul), Anti-Politiker (Herman Cain) und ehemalige Diplomaten (Jon Huntsman) tummeln, die die ohnehin niedrigen Steuersätze weiter senken wollen, wird sich voraussichtlich erst bis zum Frühjahr 2012 lichten. Zurzeit kann kein Kandidat auf beeindruckenden Rückhalt bauen.

Cains Sex-Skandal

Bezeichnend: Der chancenreichste und finanzstärkste Bewerber – Mitt Romney, Ex-Gouverneur von Massachusetts – kann von den zahlreichen Eskapaden seiner Konkurrenten nicht profitieren. Cain, der tief in einen Sex-Skandal verstrickt ist, liegt mit ihm in Umfragen immer noch gleichauf und hat seit Bekanntwerden der Vorwürfe vor einer Woche sogar eine Million Dollar an Spenden eingenommen. Romney gilt in puncto Überzeugungen als unbeständiger Kandidat.

Im Wahlkampfteam von Obama setzt man unterdessen auf den Umschwung in letzter Minute und erinnert an die Geschichte. Ronald Reagan, ein Republikaner, dümpelte im Januar 1983 mit 37 Prozent tief im Umfragenkeller, sein Sieg kurz darauf fiel erdrutschartig aus.

Es gibt aber auch die andere Variante. Bush, der Ältere, hatte zum Jahresbeginn 1992 mit knapp 80 Prozent in den Umfragen die Nase klar vor. Er wurde zehn Monate später von Bill Clinton aus dem Amt gejagt.