Athen. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou ist zum Verzicht auf die angekündigte Volksabstimmung bereit. Zugleich stemmte sich der Regierungschef mit aller Macht gegen einen Rücktritt. Papandreous mit den EU-Partnern nicht abgesprochene Referendumsankündigung hatte seine Regierung in eine tiefe Krise gestürzt.

Der im Sog der Schuldenkrise taumelnde griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou ist von seiner umstrittenen Forderung nach einem Referendum über das Sparpaket abgerückt. "Ich bin auch zufrieden ohne Referendum, das nie ein Mittel zum Selbstzweck war", sagte Papandreou am Donnerstag in Athen. Zugleich stemmte sich der Regierungschef mit aller Macht gegen einen Rücktritt. Zwar erklärte er sich bereit, mit der Opposition über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zu sprechen. Zurücktreten werde der Ministerpräsident aber nicht, sagte ein Minister.

Die Finanzmärkte reagierten mit Kursgewinnen auf die Aussicht, dass das Referendum vom Tisch sein könnte. Gleichwohl hielt sich die Furcht vor einer Pleite des Eurolandes - mit unabsehbaren Folgen für die Finanzstabilität Europas und der Welt. Die EU-Kommission machte klar, dass ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion nur mit einem gleichzeitigen Austritt des Landes aus der Europäischen Union möglich wäre. Dies schreibe der EU-Vertrag vor, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. EU-Spitzenpolitiker forderten das überschuldete Land unmissverständlich auf, endlich Farbe zu bekennen: "Unsere griechischen Freunde müssen sich entscheiden, ob sie ihre Reise mit uns antreten", sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach einem Krisentreffen am Mittwochabend in Cannes.

Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten Papandreou dabei deutlich gemacht, dass die Geduld der Europartner am Ende sei. Die Auszahlung der nächsten Hilfstranche über acht Milliarden Euro wurde vorerst gestoppt. Die Griechenland-Krise überschattet auch den zweitägigen G20-Gipfel, der am Donnerstag in Cannes begann. Bei dem Treffen wurde nach Angaben eines hochrangigen Vertreters die Kosten einer Staatspleite Griechenlands berechnet. Zudem wurde laut spanischen Regierungsvertretern darüber beraten, wie Kreditlinien für hoch verschuldete Länder erhöht werden könnten. Infolge der Turbulenzen senkte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag überraschend ihren Leitzins.

Papademos wird als neuer Premier gehandelt

In Athen überschlugen sich die Ereignisse unterdessen. Am Morgen rief Papandreou das Kabinett zu einer Krisensitzung zusammen. Zuvor hatte auch Finanzminister Evangelos Venizelos durchblicken lassen, dass er gegen das Referendum sei. Der Chef der Meinungsforschungsinstituts Alco, Kostas Papagopoulos, sagte: "Ich glaube nicht, dass die Regierung heute Abend noch steht." Dann sprach sich Oppositionsführer Antonis Samaras dafür aus, dass eine Übergangsregierung das Land bis zu vorgezogenen Neuwahlen führen solle. Papandreou sagte, er sei froh, dass die Diskussion über ein Referendum "viele Leute zur Vernunft gebracht haben". Er werde sich jetzt mit Samaras über die weiteren Schritte beraten.

Mehrere Abgeordnete der Regierungspartei Pasok arbeiten Kreisen zufolge an einem Vorschlag für eine Koalitionsregierung unter der Leitung des früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos. Wie mehrere mit den Planungen vertraute Personen sagten, will die Gruppe Papandreou zu einem Amtsverzicht bewegen. Ursprünglich hatte Papandreou für Freitag eine Vertrauensabstimmung angesetzt, um im Erfolgsfall den Weg für das Referendum freizumachen. Samaras sagte, das derzeitige Parlament solle das vergangene Woche vom Euro-Gipfel beschlossene Hilfspaket ratifizieren. Damit wäre ein Referendum ohnehin überflüssig. Zudem sollte die letzte Tranche des ersten Hilfspakets in Höhe von acht Milliarden Euro noch vor Neuwahlen freigegeben werden.

Eurozone laut Merkel schlimmstenfalls auf Pleite Griechenlands vorbereitet

Merkel hatte am Mittwochabend in Cannes deutlich gemacht, dass die Eurozone schlimmstenfalls auf eine Pleite Griechenlands vorbereitet sei: "Wir sind gewappnet." Die größte Herausforderung hierbei besteht darin, die wirtschaftlich stärkeren, aber ebenfalls hochverschuldeten Eurostaaten Italien und Spanien vor einer Ansteckung zu bewahren. Der bestehende Rettungsfonds EFSF reicht derzeit nicht aus, um die dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone aufzufangen. Die erst vergangene Woche für diesen Fall vereinbarte Hebellösung zur Steigerung der verfügbaren Mittel kann derzeit noch nicht angewendet werden, da die technischen Details weiterhin ausstehen. Zudem ist der Hebel Teil des Gesamtpakets, dessen Umsetzung durch Papandreous Referendums-Vorstoß auf Eis liegt.
Die Anzeichen für einen Fall Papandreous und ein daraus folgender Verzicht auf das Referendum trieben die Aktienkurse am Donnerstag in die Höhe. Der Dax übersprang wieder die 6000-Punkte-Marke. Auch die meisten europäischen Indizes zogen merklich an, die Wall Street eröffnete ebenfalls im Plus. Vor allem in Athen trauten sich die Anleger wieder an die Börse und kauften Bankenwerte , die mitunter knapp sieben Prozent zulegten. "Viele Anleger sind auch einfach erleichtert, dass Merkel und Sarkozy endlich mal ein Machtwort gesprochen haben", sagte ein Händler.