Berlin. . Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft und die Abkehr vom unbedingten Festhalten an der Hauptschule bahnt sich in der CDU der nächste Paradigmenwechsel an: die Christdemokraten stehen davor, einen Mindestlohn in Deutschland zu beschließen.

Jahrelang war es ein Tabu in der CDU, jetzt lässt Parteichefin Angela Merkel auch diese Position schleifen: Die CDU steht vor einer Kehrtwende beim Mindestlohn. Die Christdemokraten werden bei ihrem Bundesparteitag in zwei Wochen wohl beschließen, dass in Deutschland eine „allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze“ eingeführt werden soll. „Die Frage ist nicht mehr, ob wir einen Mindestlohn haben werden, sondern wie man die richtige Höhe aushandelt“, sagt Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Die kleine Revolution hat der Arbeitnehmerflügel CDA ausgelöst, der im Sommer mit einem Vorschlag vorgeprescht war. Die anschließenden Debatten in der Partei überzeugten offenbar auch die Kanzlerin. Die Antragskommission unter Vorsitz von „Generalsekretär Hermann Gröhe hat eine entsprechende Beschlussempfehlung ausgesprochen, die auf einer Initiative der NRW-CDU basiert: Danach soll eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze dort gelten, wo kein tarifvertraglich festgelegter Lohn existiere, heißt es in dem Antrag, der unserer Zeitung vorliegt. „Die Lohnuntergrenze wird durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt, die Höhe der Lohnuntergrenze soll sich am Tarifabschluss für Zeitarbeitnehmer orientieren.“

Der DGB fordert mehr

Das ist nicht unproblematisch: Das Tarifniveau der Zeitarbeit von 6,89 Euro im Osten und 7,79 Euro im Westen liegt deutlich unter bisherigen politischen Vorschlägen: Der DGB erklärte, eine Untergrenze von 8,50 Euro sei „das Mindeste“. Dass es unterschiedliche Sätze für Ost und West geben soll, erregt Protest in der ostdeutschen CDU.

Auch wenn es jetzt Widerstand vom CDU-Wirtschaftsflügel gibt, ist eine Mehrheit beim Parteitag wohl sicher. Neben dem größten CDU-Landesverband NRW unterstützt auch der starke CDU-Landesverband Niedersachsen den Vorstoß, beide repräsentieren zusammen fast die Hälfte der Mitglieder.

„Es geht um die weißen Flecken in der Tariflandschaft“, hieß es in der CDU-Spitze. CDA-Chef Karl-Josef Laumann verweist auf Friseure, Teile des Einzelhandels oder der Gaststättenbranche. Die Union stellt aber die Tarifautonomie nicht in Frage. Auch in der FDP gibt es Bewegung beim Mindestlohn.