Tunis/Madrid. . Unruhen begleiteten den Wahlausgang in Tunesien. Demonstranten, die den Sieg der islamistischen Ennahda-Partei nicht akzeptieren wollten, gingen auf die Straße. Es gab Verletzte. Die neuen Führer versprechen indes ein freies und demokratisches Tunesien.

Überschattet von Ausschreitungen im Landesinneren begann in Tunis das Ringen um eine Übergangsregierung unter Führung der Islamisten. Die islamische Ennahda-Partei hatte mit mehr als 40 Prozent der Stimmen in der ersten freien Wahl Tunesiens gesiegt und beansprucht den Posten des Regierungschefs. Demonstranten, die mit dem Wahlergebnis nicht einverstanden waren, griffen Gebäude der Ennahda-Bewegung an. Polizisten gaben Warnschüsse ab, mehrere Menschen wurden verletzt.

„Wir werden diese Revolution weiterführen“, versprach Islamistenführer Rachid Ghannouchi (70). Seine „moderate“ islamische Partei werde den Übergang Tunesiens zur Demokratie anführen. „Ein Tunesien, das frei ist, unabhängig und aufblühend, wo die Rechte von Gott, dem Propheten, von Frauen und Männern, den religiösen und den nicht religiösen, gleichermaßen garantiert sind.“

Insgesamt 41,5 Prozent der Stimmen hatten die Islamisten erhalten. Sie errangen 90 der 217 Sitze in der Verfassungsgebenden Versammlung, das eine Art Übergangsparlament sein wird; nur 19 Mandate fehlen zur absoluten Mehrheit. Ein sensationeller Erfolg für eine Partei, die unter der Diktatur Ben Alis verboten war.

Der Funke der Revolte

In Tunesien begann Anfang 2011 der „arabische Frühling“, später sprang von hier der Revolutionsfunke auf Ägypten und Libyen über. Die Ennahda-Islamisten versicherten im Wahlkampf, dass sie keinen Gottesstaat errichten wollen, sondern ähnlich wie die türkische Regierungspartei AKP eine Versöhnung zwischen dem Islam und der Modernität suchen. Es soll weder Kopftuchzwang für Frauen noch ein Bikini- oder Alkoholverbot für Touristen geben.

Auch wenn Ennahda (Wiedergeburt) keine absolute Mehrheit hat und eine Koalition mit säkularen Parteien anstrebt, werden die Islamisten doch künftig den Ton in Tunesien angeben. Die Verfassungsgebende Versammlung soll binnen eines Jahres eine Verfassung ausarbeiten, in der so wichtige Dinge wie Grundrechte, Rolle der Religion, Stellung der Frau und Machtbefugnisse von Parlament, Regierung und Präsident festgelegt werden. Ende 2012 könnten dann definitiv ein Parlament und ein Staatspräsident gewählt werden.