Berlin. Familienministerin Ursula von der Leyen will schon bald kinderpornografische Seiten im Internet sperren lassen. Doch Experten zweifeln an der Wirksamkeit der Aktion. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft rechnet damit, dass die gesperrten Seiten geknackt werden.
Der Vorstandsvorsitzende des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (Eco), Michael Rotert, hält nichts von der Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet. «Die Provider tun sich deshalb so schwer mit der Sperre, weil sie nicht hilft», sagte Rotert der «Berliner Zeitung». «Es ist wie eine Sonnenbrille, die Sie aufsetzen, wenn die Sonne richtig gleißend scheint. Im ersten Augenblick sehen Sie nichts und dann ist alles wieder da. Soviel zur Wirkung der Sperren.»
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Man müsse zudem kein Experte sein, um die gesperrten Seiten zu knacken. «Ich fürchte, dass schon bald die entsprechenden Anleitungen im Internet kursieren werden, wie man ungefiltert surfen kann», sagte der Verbandschef. Er sei überzeugt, dass die Sperrlisten mit den indizierten Seiten «innerhalb kürzester Zeit auch irgendwo auf Schulhöfen und in der Öffentlichkeit gehandelt werden und damit ist den Opfern wirklich nicht geholfen». Der Verband spricht eigenen Angaben zufolge für rund 400 Unternehmen der Branche, darunter viele Internet-Provider.
Erster Gesetzentwurf liegt vor
Das Kabinett hatte am Mittwoch beschlossen, dass der Zugang zu Kinderpornos im Internet noch vor der Bundestagswahl umfassend versperrt werden soll. Unmittelbar nach einem Kabinettsbeschluss zu dem Thema legte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bereits einen Gesetzentwurf vor. Fünf der acht großen deutschen Internetanbieter haben ihre Mitwirkung schon zugesagt. Sie wollen spätestens in einem halben Jahr dafür sorgen, dass auf solche Seiten nicht mehr zugegriffen werden kann.
Mehrere Ministerien müssen noch zustimmen
Vorgesehen sei eine Änderung des Telemediengesetzes, erklärte Guttenberg (CSU). Andere Ministerien müssen allerdings noch zustimmen. «Ich bin der festen Überzeugung, dass eine gesetzliche Regelung im Telemediengesetz noch in dieser Legislaturperiode möglich ist, wenn alle beteiligten Ressorts konstruktiv zusammenarbeiten», sagte Guttenberg.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zeigte sich bereit, das Tempo mitzutragen. «Die SPD wird hierzu in Kürze einen Vorschlag vorlegen. Wenn alle Beteiligten es wirklich wollen, können wir noch vor der Sommerpause eine verfassungsrechtlich einwandfreie Regelung verabschieden», sagte sie dem «Münchner Merkur».
"Signal zur Ächtung von Kinderpornografie"
«Wir setzen ein Signal zur gesellschaftlichen Ächtung von Kinderpornografie im Internet», sagte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nach dem Beschluss. Verfassungsrechtliche Bedenken gebe es nicht, habe Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) versichert.
Dem Kabinettsbeschluss war eine lange Debatte in der Großen Koalition vorangegangen. Zypries hatte vor allem verfassungsrechtliche Bedenken gegen erste Vorstöße aus dem Hause von Familienministerin von der Leyen angemeldet. Schlussendlich stimmte auch Zypries dem Eckpunktepapier im Kabinett zu.
Lob für die Branche
Andere Vertreter der Internet-Branche lobten den Vorstoß. «Damit bekommen die Provider eine rechtliche Grundlage, wenn sie die Sperrliste des Bundeskriminalamts umsetzen», sagte der Präsident des Verbandes Bitkom, August-Wilhelm Scheer. «Wir können den Zugang deutlich erschweren, indem wir potenziellen Nutzern von Kinderpornografie ein Stoppschild zeigen.»
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Klaus Jansen, kritisierte, es reiche nicht, Webseiten zu sperren. «Wir müssen die Täter finden», sagte er «Bild.de» und forderte bessere Technik und mehr Personal.
Am Mittwoch forderte zudem die EU-Kommission in einem Gesetzentwurf alle Mitgliedsstaaten auf, Internet-Seiten mit pornografischen Aufnahmen von Minderjährigen zu sperren. Der Vorschlag sieht ferner vor, schon die Online-Kontaktaufnahme mit Kindern zu Missbrauchszwecken unter Strafe zu stellen. (ddp/ap)