Brüssel. Immer mehr Lampen leuchten in der Nacht, mit fatalen Folgen für Mensch und Tier. Milliarden Straßenlaternen, Glühbirnen, Neonröhren und Reklametafeln werden Nacht für Nacht angeknipst. Nun formiert sich in Europa Widerstand gegen die zunehmende „Lichtverschmutzung“.
Richtig dunkel ist es fast nirgendwo in Europa. Kaum ist die Sonne untergegangen, werden Milliarden Straßenlaternen, Glühbirnen, Neonröhren und Reklametafeln angeknipst. Autobahnen leuchten, Sportplätze und Flughäfen sind in gleißendes Licht getaucht, helle Strahler tasten den Nachthimmel ab. Wer nach oben blickt, sieht es kaum noch funkeln. Längst liegt die Zahl der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne nur noch bei höchstens 500, haben italienische Wissenschaftler festgestellt, in Innenstädten sogar weit darunter. Früher waren es einmal 2500 leuchtende Himmelskörper gewesen, die Hobby-Astronomen am Firmament entdecken konnten.
Warnungen vor dem 24-Stunden-Tag
Viele nehmen das Verschwinden der Nacht als unausweichliche Folge moderner Lebensweise hin, Astronomen und Umweltschützer treibt die Entwicklung hingegen Sorgenfalten auf die Stirn. Sie warnen vor einem 24-Stunden-Tag, der Mensch und Tier aus ihrem Biorhythmus bringt.
„Immer mehr Studien belegen, dass Dauerbeleuchtung zu Schlafstörungen führt“, sagt der Belgier Friedel Pas, Vorsitzender der europäischen Sektion der internationalen „Dark Sky Association“. Außerdem gebe es Anzeichen dafür, dass eine zu helle Umgebung in der Nacht das Risiko von Krebserkrankungen erhöht. Das Hormon Melatonin beispielsweise werde nur freigesetzt, wenn es absolut dunkel ist. Melatonin spielt bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle; künstliches Licht kann die Produktion stoppen.
Tierarten finden keinen Schutz mehr
Auch auf die Tierwelt hat die Dauer-Beleuchtung eine verheerende Wirkung. Milliarden Insekten sterben jede Nacht an Straßenlaternen; sie sind wichtige Glieder in der Nahrungskette, etwa für Vögel und Fledermäuse. Viele Tierarten finden keinen Schutz mehr in der Dunkelheit, Zugvögel werden durch angeleuchtete hohe Gebäude oder Strahler irritiert.
Nach Angaben von Experten nimmt die so genannte Lichtverschmutzung in Europa jedes Jahr um bis zu 10 Prozent zu. Doch inzwischen wächst auch die Erkenntnis, etwas dagegen unternehmen zu müssen. Um ein Zeichen zu setzen, werden in Belgien - aufgrund der erleuchteten Autobahnen eines der hellsten Länder Europas - in der morgigen Nacht zum Beispiel in vielen Städten die Lampen an Straßen oder in öffentlichen Gebäuden ausgeschaltet.
In Slowenien gibt es seit 2007 sogar ein Gesetz gegen die Lichtverschmutzung, das Land gilt damit als Vorreiter in Europa: Kommunen müssen ihre Lichtemissionen absenken, so genannte Skybeamer, die weit in den Himmel strahlen, sind verboten. Auch Regionen in Italien wie die Lombardei gehen mit gutem Beispiel voran, indem sie die Lichtemissionen nach 23 Uhr erheblich reduzieren. In Großbritannien denken Wissenschaftler darüber nach, die Finsternis in großen Nationalparks unter Schutz zu stellen – was nach Ansicht des deutschen Astronomen Andreas Hänel ebenso bei uns möglich wäre, etwa im Harz, im Bayerischen Wald oder in Mecklenburg-Vorpommern.
Lichtverschmutzung einfach zu bekämpfen
„Eigentlich ist es recht einfach, das Problem der Lichtverschmutzung zu bekämpfen“, ist auch der Belgier Friedel Pas überzeugt – oft fehle nur der gute Wille: Maximalwerte für Beleuchtung könnten eingeführt, überflüssiges Licht wie nächtliche Reklameschilder und leuchtende Hausfassaden abgeschaltet werden, ohne dass dadurch ein Nachteil entstünde. In Deutschland haben einige Städte bereits ihre Straßenlaternen auf Natriumdampflicht umgestellt, das längst nicht so grell ist. Außerdem lässt sich dadurch gleichzeitig Energie einsparen.
Die Angst, dass eine Reduzierung der Beleuchtung auf Kosten der Sicherheit geht, halten Experten hingegen für unbegründet: Laut Statistik passieren auf Belgiens Straßen nicht merklich weniger Unfälle als bei uns – trotz hell erleuchteter Autobahnen. Außerdem erwarte niemand, dass das Licht in den Städten ganz ausgeknipst wird, sagt Friedel Pas. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn die Lampen dahin leuchten, wo man sie braucht – nicht in den Himmel.