Hamburg. Mit dem Tod von Jürgen Rieger verlieren die deutschen Neonazis nicht nur eine wichtige Integrationsfigur, sondern auch ihren Hauptgeldgeber. Der Anwalt und Bundesvize der NPD hat Rechtsextremisten vor Gericht verteidigt und ihnen Unterkünfte organisiert. Er starb an einem Schlaganfall.

Durch den Tod des rechtsextremen Hamburger Anwalts und NPD-Bundesvize Jürgen Rieger sehen Verfassungsschützer eine Schwächung der Neonazi-Szene. Rieger habe über erhebliche finanzielle Möglichkeiten verfügt, die er auch genutzt habe, sagte der Hamburger Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck am Freitag. Diese Voraussetzungen habe sonst niemand gehabt. Nach Einschätzung des niedersächsischen Verfassungsschutzes ist nach dem Tod Riegers vorerst nicht mit einem Nachfolger von vergleichbarem Einfluss in der Neonazi-Szene zu rechnen.

Eine klamme Partei

Die rechtsextreme Szene habe in der Vergangenheit wiederholt Probleme gehabt, Immobilien zu finden, sagte Vahldieck. Mit Riegers finanziellen Mitteln sei es ermöglicht worden, Immobilien zu kaufen. «Wir wissen, dass er regelmäßig bis zu sechsstellige Summen bereitgestellt und Darlehen gewährt hat.» Neben Rieger habe niemand derartige finanzielle Mittel zur Verfügung stellen können.

Die finanzielle Lage der NPD ist nach Angaben der Behörde nach wie vor angespannt. Es stünden immer noch Rückerstattungen der NPD an die Bundestagsverwaltung aus. Rieger habe seiner Partei außerdem Kredite in Höhe von 500 000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Rückzahlung dieser Summe könnten Riegers Erben nun beanspruchen.

Rieger starb am Donnerstag im Alter von 63 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. An sein auf mehrere Millionen Euro geschätztes Vermögen geriet Rieger im Wesentlichen durch Erbschaften. Etliche ehemalige NSDAP-Mitglieder sollen ihm Bargeld und Immobilien vermacht haben, allein der verstorbene Bremer Lehrer Wilhelm Tietjen hat Rieger Journalisten-Recherchen zufolge mehr als eine Million Euro vererbt. Die Auflage: Der Anwalt sollte damit „Fruchtbarkeitsforschung“ betreiben. Rieger gründete deshalb mit dem Geld die Wilhelm-Tietjen-Stiftung, die sich laut ihrer Satzung der „Fruchtbarkeitsforschung“ widmen sollte.

Auf seiner „Heimseite“ listete Rieger die Beträge auf, mit denen er alleine die NPD unterstützt haben will. Demnach summieren sich die Kredite, Darlehen und Schenkungen für einzelne Landesverbände der Partei auf rund 700.000 Euro.

Immobilien für Neonazis gekauft

Mit seinem Geld kaufte Rieger immer wieder Immobilien auf, um dort Schulungs- und Veranstaltungszentren für Neonazis einzurichten. Ihm gehörten unter anderem ein Kino in Hameln, die frühere Bundeswehr-Liegenschaft „Heisenhof“ in Dörverden, ein Haus im thüringischen Pößneck und ein riesiges Landgut in Schweden. Durch Spendenaktionen und mit baurechtlichen Vorschriften verhinderten Bürger und Kommunen den Kauf weiterer Gebäude in Delmenhorst und Melle.

In Wolfsburg hat Rieger ein ehemaliges Möbelgeschäft gemietet, das Rechtsextremisten zum „Kraft durch Freude“-Museum herrichten wollen. In Faßberg bei Celle pachtete er bei ungeklärter Rechtslage ein leer stehendes Landhotel. Im Juli dieses Jahres besetzten Neonazis das Gebäude, nach Protesten der Bevölkerung und einem Gerichtsurteil verließen sie das Hotel wieder.

„Mit Rieger verliert der deutsche Rechtsextremismus ein finanzstarkes Scharnier zwischen Kameradschaften, NPD und der heidnisch-germanischen Szene“, sagt Sebastian Brux von der Amadeu Antonio Stiftung, die Opfer rechtsradikaler Gewalt betreut.

Mehrfach rechtskräftig verurteilt

Schon als Jurastudent schloss sich Rieger der rechtsextremen „Aktion Oder-Neiße“ und dem „Bund Heimattreuer Jugend“ an. Rieger war Vorsitzender der von ihm gegründeten „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“, der „Völkischen Artgemeinschaft“ sowie des Vereins „Mütterdank“. 2006 trat er in die NPD ein. Er war auch ihr Hamburger Landeschef.

Rieger wurde mehrfach rechtskräftig verurteilt, unter anderem wegen Körperverletzung, Volksverhetzung, Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen und Vortäuschung von Straftaten. Als Anwalt vertrat Rieger viele Rechtsextremisten vor Gericht, unter ihnen Thies Christophersen, Michael Kühnen, Horst Mahler sowie den Holocaust-Leugner Ernst Zündel. Am 2. November sollte er vor dem Amtsgericht Herzberg einen von drei Neonazis verteidigen, die sich wegen volksverhetzender Liedtexte und CDs verantworten müssen. Dieser Prozess wird wegen Riegers Tod vertagt.(ddp)

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