Kairo. .

Syriens Regime will keine Zeugen. 30 000 Menschen sitzen hinter Gittern, Tausende sind spurlos verschwunden, über 3000 bislang gestorben. Amnesty International prangert Folterungen verletzter Regimegegner in syrischen Krankenhäusern an.

Journalisten dürfen schon seit sieben Monaten nicht mehr ins Land. Und westliche Diplomaten als einzige ausländische Augenzeugen vor Ort sind zunehmend Übergriffen und Einschüchterungen ausgesetzt.

Am Montag reiste der US-Botschafter Robert Ford Hals über Kopf zurück in die USA. Er habe „glaubhafte Drohungen gegen seine Person“ erhalten, ließ das US-Außenministerium zur Begründung erklären. Im Juli war die amerikanische Botschaft in Damaskus zum ersten Mal von Hunderten Regimeschlägern angegriffen worden. Später konnte Ford nach dem Besuch bei einem Dissidenten dessen Büro zwei Stunden lang nicht verlassen, weil sich auf der Straße ein feindseliger Mob versammelt hatte.

Diplomaten wurden verschleppt

Nach Informationen unserer Zeitung gab es in letzter Zeit mindestens ein Dutzend weiterer schwerer Übergriffe auf westliche Botschaftsangehörige. Umgekehrt ließ das Regime von Bashar al-Assad allen syrischen Menschenrechtsaktivisten ausrichten, wer sich künftig noch mit westlichen Diplomaten treffe, werde auf der Stelle verhaftet. Bei drei europäischen Diplomaten unbekannter Nationalität, sowie einem britischen und einem amerikanischen Gesandten wurden die Wohnungen aufgebrochen und verwüstet. Einer der Betroffenen wurde festgenommen, die anderen waren nicht zu Hause. Zwei niederländische Diplomaten wurden im Nordlibanon gekidnappt und kamen erst zwei Wochen später in Damaskus wieder frei.

Ein US-Vertreter wurde verhaftet, als er eine Protestdemonstration beobachtete und stundenlang unter Arrest gehalten. Ein britischer Botschaftsmitarbeiter wurde in Damaskus auf offener Straße zusammengeschlagen, drei kanadische Diplomaten zwei Stunden lang in ihrem Auto eingekeilt, nachdem sie einen Protestmarsch gefilmt hatten. Zunächst versuchte die syrische Staatssicherheit, die Männer aus ihrem Auto zu zerren. Schließlich verlangten sie die Herausgabe des Kamera-Chips, der inzwischen bereits gelöscht war. Nach Angaben des Außenministeriums in Berlin blieben deutsche Diplomaten in Damaskus dagegen bislang von Gewalttaten verschont.

Verletzte Regimegegener im Krankenhaus misshandelt

Amnesty International erhob am Dienstag neue schwere Vorwürfe gegen das syrische Regime. In mindestens vier staatlichen Kliniken in Banias, Homs und Tell Kalakh seien verletzte Regimegegner von Sicherheitsbeamten gefoltert, aber auch von medizinischem Personal misshandelt worden. Umgekehrt müssten Ärzte und Krankenschwestern, die verwundete Demonstranten korrekt behandeln, mit Verhaftung und Folter rechnen.

Augenzeugen berichteten Amnesty, ein bewusstloser Mann sei von Regimeschlägern aus seinem Krankenbett geholt und verschleppt worden. Auf einer anderen Station wurden 18 Patienten verhaftet, in einem Fall ein Schwerverletzter von Sicherheitsbeamten, Ärzten und Schwestern gemeinsam verprügelt.

Krankenhäuser als Instrumente der Unterdrückung

In den Hospitälern mache sich ein „Klima der Angst“ breit, schreibt die Menschenrechtsorganisation in ihrem 39-seitigen Bericht. Viele Verwundete würden nun in Wohnungen oder provisorischen Mini-Klinken versorgt, denen es oft am Nötigsten fehlt und die keinen Zugang zu den staatlich verwalteten Blutkonserven haben.

Die Krankenhäuser würden eingesetzt als ein „Instrument der Repression“, um die Opposition zu unterdrücken, so Amnesty. „Das medizinische Personal in Syrien wird in eine untragbare Situation gebracht – es sieht sich gezwungen zu entscheiden, ob es Verwundete pflegen oder seine eigene Sicherheit schützen will.“