Kommt Obamas Abzugsplan überraschend?
Nein. Das entsprechende Abkommen wurde 2008 noch von seinem Vorgänger George W. Bush unterzeichnet; jenem Präsidenten, der dem Irak den Despoten Saddam Hussein nehmen und die Demokratie bringen wollte.
Wie lautet kurz gefasst die Bilanz nach fast neun Jahren Krieg?
Hussein ist weg. Die Iraker können demokratisch wählen. Das Land liegt in weiten Teilen in Schutt und Asche. Das Gros der Bevölkerung lebt in Armut. Der inner-islamische Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten ist nicht beendet und fordert fast täglich Opfer. 4500 tote US-Soldaten, 150 000 bis 900 000 tote Iraker, Tausende körperlich und seelisch Schwerstverwundete auf beiden Seiten und Kriegskosten von 1000 Milliarden US-Dollar sind dafür ein hoher Preis.
Warum reduziert Obama die Truppenstärke auf null?
Weil die labile irakische Viel-Parteien-Regierung unter Ministerpräsident Nouri al-Maliki nicht den Mumm hatte, US-Soldaten juristische Immunität zu gewähren. Andernfalls wäre Washington willens gewesen, rund 5000 Soldaten im Irak zu belassen, um den Aufbau von Armee und Polizei weiter zu begleiten. Für Obama hat die Beendigung des Krieges besondere Bedeutung. Seine persönliche Glaubwürdigkeit hängt daran. Viele Amerikaner haben ihn 2008 deswegen gewählt.
Wie reagiert Amerika auf die Entscheidung?
Ausgerechnet die Republikaner, die unter George W. Bush mit wehenden Fahnen in den Krieg gezogen sind, werfen Obama vor, viel zu früh einen gefährlichen Unruhe-Herd zu verlassen. Sämtliche Präsidentschafskandidaten tun vorwahlkampfbedingt so, als versündige sich Obama an der nationalen Sicherheit. Die Demokraten stützen den Abzug, ebenso laut Umfragen eine übergroße Mehrheit in der Bevölkerung.
Haben die Kritiker Recht?
Amerika hinterlässt ein hochgradig instabiles Land. Kein einziges Problem, das durch die international bis heute umstrittene Intervention 2003 erzeugt wurde, ist gelöst. Die Machtverteilung zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen Kurden und Arabern, zwischen der Hauptstadt Bagdad und den Regionen ist weiter ungeklärt. Die Zahl der Attentate ist in den letzten sechs Monaten nennenswert gestiegen. Das Verhältnis der verfeindeten Schutzmächte des Irak – Saudi-Arabien für den sunnitischen Teil, Iran für den schiitischen – ist nicht erst seit den jüngsten Attentatsplänen des Iran in den USA auf dem Tiefpunkt angelangt. Dass die Regierung Maliki engste Bande zu Teherans Mullah-Regime pflegt, gilt als Risikofaktor.
Zusätzlich ist die Region durch den arabischen Frühling in Aufregung. Nach Beurteilung internationaler Beobachter wäre der Irak heute nicht in der Lage, ein Wiederaufflammen religiöser Spannungen zu bewältigen.