Masar-i-Scharif. . Der Bundeswehr-Hauptmann Dominik S. führt in Afghanistan eine Kompanie mit 170 Soldaten. Auf DerWesten redet er über die Verantwortung, seinen Glauben und den Auftrag in Afghanistan.

Dominik S. ist eigentlich ein junger Mann wie viele seiner Altersgenossen. Ein junger Vater, ein Mann mit offenem, freundlichen Wesen. Und doch unterscheidet sich sein Leben stark von dem der meisten 32-Jährigen. Der Bundeswehr-Soldat riskiert am Hindukusch sein Leben für ein Mandat, das die Bundesregierung erteilt hat. Dominik S. ist Kompanie-Chef in Masar-i-Scharif.

Seit gestern ist er für mehrere Tage draußen, im Norden Afghanistans im Einsatz. Sein Auftrag lautet: Mit den 170 Männern seiner Kompanie vermutete Aufständische aus einer bestimmten Gegend zu vertreiben, die afghanische Bevölkerung mit zivilen Hilfen zu unterstützten und so den Aufständischen den Nährboden zu entziehen. Aufständische -- das können Taliban sein, politische Splittergruppen oder Kriminelle, die die Bevölkerung unter Druck setzen. Ein hochgefährlicher Auftrag. „Wo wir hingehen werden, werden wir mit Sprengstoff-Anschlägen zu kämpfen haben“, sagt der Hauptmann wenige Stunden vor dem Einsatz. Er sagt das in ruhigem, ernsten Ton, ohne jede Spur von Dramatik. Erst im August gab es einen Anschlag auf die Kompanie. „Es verlief glimpflich. Wir haben denjenigen früh gesehen.“ Er selbst sei in dem Wagen direkt hinter dem angegriffenen Fahrzeug gewesen. „Da habe ich die Verantwortung stärker gespürt, als je.“

Respekt, keine Angst

Verantwortung: Dominik S. ist da draußen verantwortlich für das Leben von 170 Menschen. Der Kompanie-Chef kann sich im Bedrohungsfall mit niemandem absprechen, mit niemandem beraten. Dann kann es um Sekunden gehen. Sekunden, die über Leben oder Tod dieser 170 Soldaten entscheiden. Was Dominik S. da draußen auch macht, er muss es mit sich allein ausmachen.

Er weiß, dass er sich schuldig machen kann. Er nimmt die Schuld an; ein Mann von erst 32 Jahren. „Ich bin Katholik und ich denke, ich das mit meinem Glauben vereinbaren kann“, erklärt er sachlich. „Wenn wir rausgehen, haben wir Respekt vor dem, was wir tun.“ Nicht Angst. „Wenn ich die bei einem spüre, geht es nicht. Aber wir haben Respekt. Wir wissen, dass wir das, was wir tun, beherrschen können.“

Mit seinen Soldaten, „meinen Jungs“, habe er vorher darüber gesprochen, habe auch die Familien einbezogen. Er selbst findet Halt bei seiner Frau. „Sie kennt die Firma, sie weiß um die Gefahren. Sie ist meine Stütze. Ich freu mich über jedes Telefonat, über jedes Bild von meiner Tochter.“ Sie ist sieben Monate alt.

Sein Auftrag

Und er steht hinter der Art seines Auftrags. „Ich verstehe ihn so: Wir suchen intensiv die Nähe der Bevölkerung. Wir gehen in kleinen Schritten vor, wenn wir Gegend absichern. Wir machen das mit großer Präsenz, aber ohne Aggressivität. Wenn wir angegriffen werden, setzten wir uns zur Wehr; so, dass derjenige das merkt, so, dass es sich mit der Religion vereinbaren lässt.“

Zu seinem Auftrag gehörten auch zivile Hilfen. Wenn Brunnen in den Dörfern oder Wasserleitungen defekt seien, würden sie repariert. Sie räumten Minen von den Straßen. Nach ihnen kämen dann die zivilen Helfer. Unterstützt werde die Kompanie immer von afghanischen Truppen sowie afghanischen Sicherheits- und Polizeikräften. Das sei keine reine ISAF-Präsenz (internationale Truppen in Afghanistan).

Noch sei es nicht zu einem Gefecht gekommen. Und er sei froh darüber. „Ich bin nicht böse, wenn ich keine Gefechtsmedaille kriege, wenn ich nach Hause komme.“

Er muss die Erlebnisse verarbeiten

Nach Hause kommen. Diese Erlebnisse werden Dominik S. dann wahrscheinlich noch lange beschäftigen. Wer wird ihm dabei helfen, sie zu verarbeiten, außer seiner Ehefrau? Die Politik, deren Auftrag er am Hindukusch ausführt, die Gesellschaft?

Dominik S. wirkt auf den ersten Blick wie viele seiner Altersgenossen. Aber er ist nicht wie viele seiner Altersgenossen. Dominik S. riskiert tagtäglich sein Leben, um den Frieden in Afghanistan zu sichern.