Essen.. Im Oktober 2001 befahl George W. Bush die ersten Bombenangriffe auf Kabul. Zehn Jahre sind seitdem vergangenen. Der Nato-Einsatz hat Afghanistan verändert. Doch Terror und Gewalt beherrschen den Alltag. Eine Analyse.

Die Trümmer der Türme des World Trade Centers in New York rauchten noch, da befahl US-Präsident George W. Bush am 7. Oktober 2001 die ersten Bombenangriffe auf die afghanische Hauptstadt Kabul. Das Land galt als Hochburg der Terroristen von El Kaida. Zehn Jahre später fällt die Bilanz des internationalen Einsatzes ernüchternd aus. Das Taliban-Regime ist zwar gestürzt, doch die Islamisten sind keineswegs entmachtet. Und vom Frieden ist Afghanistan weit entfernt.

Die Lage: Anschläge, Attentate, Gefechte sind blutiger Alltag am Hindukusch. Auch 130 000 Nato-Soldaten können die Welle der Gewalt nicht stoppen, die Truppen werden ständig mit Anschlägen gegen sie konfrontiert. Ein aktueller UN-Bericht listet pro Monat insgesamt über 2100 Gewalttaten auf. Allein zwischen Juni und August starben dabei an die tausend Zivilisten.

Die Regierung: Afghanistans Präsident Hamit Karsai wird zwar vom Westen noch gestützt, hält sich aber nicht zuletzt durch Korruption und Wahlbetrug an der Macht. Entsprechend gering ist sein Ansehen in der Bevölkerung. Er kann sich im eigenen Land nicht frei bewegen, es gab mehrere Anschläge auf Karsai. Im Juli töteten Regierungsgegner Ahmad Wali, den Bruder des Präsidenten. Im September wurde Ex-Präsident Rabbani ermordet. Er war Verhandlungsführer bei den Gesprächen mit den Taliban.

Die Taliban: Die selbst ernannten „Gotteskrieger“ ziehen weiter die Fäden des Terrors. Zwar verhandelt Präsident Karsai – mit Billigung des Westens – mit den Radikal-Islamisten über einen Frieden, doch die Taliban spielen ein doppeltes Spiel. In den Gesprächen halten sie die Regierung hin, gleichzeitig inszenieren sie ihre Anschläge. Die Taliban finanzieren ihre Waffen und Munition zum Großteil über Drogenhandel. Die UN schätzen, dass sie jährlich bis zu 400 Millionen Dollar durch Rauschgift einnehmen.

El Kaida: Das Terrornetzwerk und seine Ableger lenken ihre Operationen zu einem Großteil vom Nachbarland Pakistan aus. Die USA beschuldigen die eigentlich verbündete Regierung in Islamabad offen, die Taliban und die Aufständischen zu unterstützen. Das Versteck des El-Kaida-Chefs Osama bin Laden, den eine US-Einheit tötete, befand sich in Pakistan.

Die Nato: Rund 130 000 Soldaten hat das Bündnis in Afghanistan, davon 100 000 Amerikaner. Die Bundeswehr stellt rund 5000 Leute. Im zehnten Kriegsjahr tun sich viele westliche Regierungen schwer, den unpopulären Einsatz gegenüber der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Der Blutzoll ist hoch. So fielen in Afghanistan bislang über 1800 US-Soldaten, 50 deutsche Soldaten ließen ihr Leben. Der Krieg ist zudem teuer. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW hat gerade errechnet, dass der Bundeswehreinsatz am Hindukusch das Land bisher 17 Milliarden Euro kostete. In Umfragen sind rund zwei Drittel der Deutschen für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr.

Die Zukunft: Präsident Karsai hat nach den jüngsten Morden die Gespräche mit den Taliban gestoppt: „Ihre Boten kommen und töten. Mit wem sollen wir Frieden machen?“ Bis Ende des Jahres 2014 will der Westen seine Kampftruppen aus dem Land abgezogen haben. Dass dann in Kabul eine stabile afghanische Regierung im Amt sein wird, die wirklich die Macht im Land ausübt, gilt als höchst fraglich. Vielmehr besteht die große Gefahr, dass die terroristischen Taliban und kriminelle Stammesführer das Land wieder unter sich aufteilen.