Düsseldorf.. Mehr als ein Jahr nach seiner Abwahl als NRW-Ministerpräsident hat sich Jürgen Rüttgers (CDU) mit einem provokanten „Weckruf für einen neuen Generationenvertrag“ in der politischen Debatte zurückgemeldet.

Mehr als ein Jahr nach seiner Abwahl als NRW-Ministerpräsident hat sich Jürgen Rüttgers (CDU) mit einem provokanten „Weckruf für einen neuen Generationenvertrag“ in der politischen Debatte zurückgemeldet. In einer 103-seitigen Analyse, die unserer Zeitung vorliegt, hat der 60-Jährige ziemlich grundsätzlich Bevölkerungsrückgang und Alterung in Deutschland untersucht und seiner Partei mal wieder den Abschied von einigen „Lebenslügen“ empfohlen.

„Leselupen an Fertigungsstraßen“

Brisanteste These: Um die wachsende Generation der „aktiven Alten“ besser einzubinden, gehöre unser starres Renteneintrittsalter abgeschafft. Formen des langsamen Herausgleitens aus dem Arbeitsprozess werde durch das deutsche Tarifrecht ohne Not ein Riegel vorgeschoben. „Warum entwickeln wir nicht ein besseres System sich ergänzender Alterseinkommen – zum Beispiel durch fließende und flexible Übergänge in die Rentenphase, die Öffnung der Rentensysteme für Zuverdienste sowie die Einführung von Arbeitskonten“, fragt Rüttgers. Wer länger arbeiten wolle, müsse im Betrieb dann halt Ausruhmöglichkeiten vorfinden oder „Leselupen an Fertigungsstraßen“. Das Wissen der Alten dürfe man jedenfalls nicht brach liegen lassen. An die Unis gehöre nicht nur die Juniorprofessur, sondern auch die „Seniorprofessur“.

Frei von alten Ämterzwängen fordert der ehemalige CDU-Bundesvize, das Kindergeld und sämtliche milliardenschweren Familienleistungen zu einem öffentlichen Kinder- und Bildungsgeld zu bündeln. Damit sollen Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Studiengebühren, Kosten für Lehre und Meisterschule sowie kulturelle oder sportliche Angebote für Heranwachsende frei Haus finanziert werden. Für Konservative, die das Kind lange am besten daheim bei Mama aufgehoben sahen, gewiss keine einfache Debatte.

Neuer Blick aufs Thema Zuwanderung

Auch die Zuwanderung betrachtet Rüttgers inzwischen ohne ideologische Scheuklappen: Osteuropäische Pflegekräfte sollten aus der Illegalität geholt werden. In der EU müssten „Berufs- und Bildungsabschlüsse grundsätzlich anerkannt werden“. Außerdem sollten Unternehmen mal den Blick nach Spanien wenden, wo fast jeder zweite junge Mensch zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos ist. „Die deutsche Wirtschaft sollte in Europa eine aktive Anwerbungspolitik beginnen.“