Essen.Papst Benedikt XVI. kommt in seine Heimat, und noch bevor er auch nur einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat, wird gestritten. Der Papst, der in der Kirche ein Brückenbauer sein soll, spaltet die Gesellschaft in seinem Heimatland. Es wird kein Heimspiel. Es ist ein Besuch zwischen frommen Wünschen und weltzugewandten Hoffnungen.

Die heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen über den Papst, sein Amt, das Verhältnis von Staat und Kirche verschiebt aber auch die Proportionen. Viele Katholiken freuen sich auf diesen Besuch. Die Papst-Messen sind so gut wie ausgebucht. Die Planer sind in Berlin ins Olympiastadion ausgewichen. Sie selbst hatten mit einem so gewaltigen Zuspruch nicht gerechnet.

Das ist auch ein Teil der Wahrheit. Ein anderer ist: Der 84-jährige Papst trifft auf eine Kirche in der Krise. In einer ihrer tiefsten Krisen überhaupt. Der Skandal um den sexuellen Missbrauch durch Geistliche hat die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttert, die Folgen sind noch längst nicht bewältigt. Im vergangenen Jahr verließen 181 000 Christen die Kirche, beinah doppelt so viel wie in den Jahren zuvor.

Und als ob das nicht schon gravierend genug wäre, kommen weitere Probleme hinzu. Der Priestermangel reißt spürbare Löcher. Der Kirche kommt der Nachwuchs abhanden. Für viele engagierte Katholiken ein alarmierender Zustand. Unter ihnen sind auch prominente CDU-Politiker wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, Ministerin Annette Schavan, der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel. In einem offenen Brief baten sie eindringlich darum, auch verheiratete, „bewährte“ Männer zum Priesteramt zuzulassen. Die Not der Gemeinden gebiete Reformen.

Weniger Priester

Weniger Priester, weniger Kirchensteuern, weniger Mitglieder, Gemeinden, die zu Großpfarreien zusammengelegt werden. So sieht der Alltag in der Kirche aus. Doch darüber, wie der Weg in die Zukunft aussehen könnte, ist ein Richtungsstreit ausgebrochen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, will Glaubwürdigkeit auch damit zurückgewinnen, dass er „auf Augenhöhe“ zu einem breiten Dialog in der Kirche einlädt. Auch Tabuthemen wie die Sexuallehre, der Umgang mit Homosexuellen, sollen erörtert werden. Doch ob ihm die Amtsbrüder folgen, ist ziemlich ungewiss. Er wecke Erwartungen, die am Ende nicht erfüllt werden können, halten ihm weniger liberal gesonnene Bischöfe vor.

Öffentlich wurden die Konfliktlinien vor wenigen Tagen kürzlich bei einem anderen Thema. Zollitsch hatte angesichts des Papstbesuchs eine „barmherzige“ Lösung für die Probleme von Katholiken in Aussicht gestellt, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben. Sie sind vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Priester wissen, wie tief die Wunden sind, die das in den Herzen der betroffenen Menschen reißt. Doch Zollitsch bekam umgehend Widerspruch. Auch aus Köln. Die Unaufkündbarkeit der Ehe stehe außer Frage. Punkt.

Eine Seelsorge, die der Lebenswirklichkeit der Menschen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, steht denen gegenüber, für die die reine Lehre Maßstab ist; das Drängen nach Antworten auf die Moderne dem Wunsch nach Rückbesinnung auf die Tradition.

Der katholische Bundespräsident

Wird Benedikt zu all dem Stellung nehmen? Wird er Position beziehen, etwa zu den wiederverheirateten Geschiedenen? Er wird mit einem von ihnen sprechen können, mit dem katholischen Bundespräsidenten Christian Wulff. Aber wird der Papst überhaupt imstande sein, das Lagerdenken aufzubrechen?

Es sind hohe Erwartungen, die auf dem Besuch des deutschen Papstes in seiner Heimat ruhen. Aber Wunder hat auch der Stellvertreter Christi auf Erden nicht im Gepäck. Er kann einem fast leidtun.