Washington. .

Seit 20 Jahren sitzt Troy Davis im Todestrakt eines Gefängnisses im US-Bundesstaat Georgia. Er beteuert seine Unschuld, Zeugen haben ihre Aussagen widerrufen, Indizien gibt es nicht. Trotzdem ist wieder ein Gnadengesuch abgelehnt worden.

Troy Davis sollte schon oft sterben in den vergangenen 20 Jahren. Und kaum jemand sah hin. Drei Mal stand seine Hinrichtung bevor. Drei Mal zogen amerikanische Justiz-Instanzen wegen massiver Zweifel an seiner Schuld in letzter Minute die Handbremse. Vorübergehend. Diesmal nicht. Mittwoch Abend, 19 Uhr Ortszeit, soll der 42-Jährige im Staatsgefängnis von Jackson im US-Bundesstaat Georgia mit einer Giftspritze vom Leben zum Tode befördert werden. Und die halbe Welt weiß Bescheid.

Zwei Tage lang hatte der zuständige Begnadigungsausschuss in Atlanta, die allerletzte Instanz, erneut über einen der umstrittensten Fälle im US-Justizwesen zu Rate gesessen. Davis, ein Schwarzer, soll im August 1989 auf dem Parkplatz einer Imbisskette in Savannah im Bundesstaat Georgia den Polizisten Mark Allen MacPhail, einen Weißen, erschossen haben. Urteil des Gerichtes 1991: Todesstrafe.

Davis bestreitet die Tat seit dem Tag seiner Verhaftung. In der Zwischenzeit haben sieben von neun Zeugen aus dem Prozess ihre Aussagen komplett widerrufen oder nennenswert korrigiert. Belastbare Indizien, eine Tatwaffe oder DNA-Spuren wurden bis heute nie gefunden. Ballistik-Experten hinterfragten den ermittelten Hergang. Ach ja, und da ist noch Sylvester Coles. Der Mann, dem die Polizei seinerzeit Immunität gewährte, als er im Stile eines Hauptaugenzeugen Davis als Täter identifizierte, steht längst selbst im Verdacht, der wahre Todesschütze gewesen zu sein.

Zeugen zu belastenden Aussagen gedrängt

Am Dienstag ist wieder ein Gnadengesuch für den wegen Mordes verurteilten Troy Davis abgelehnt worden. Foto: dapd
Am Dienstag ist wieder ein Gnadengesuch für den wegen Mordes verurteilten Troy Davis abgelehnt worden. Foto: dapd © FR170493 AP/David Tulis

Ansatzpunkte genug, um das Verfahren neu aufzurollen, entschieden seine Anwälte. Ohne durchschlagenden Erfolg. Jeder Versuch endetet mit einem neuen Hinrichtungstermin. Bis hin zum Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten befand die Justiz, dass Troy Davis seine Unschuldsbehauptung nicht überzeugend untermauern konnte. Warum, das blieb genauso unscharf wie die gestrige Begründung des Begnadigungsausschusses, der seit 33 Jahren keine seiner Entscheidung korrigiert hat. Stephen Hayes, der Sprecher des Gremiums, gab zunächst keinen Kommentar ab.

Dass Papst Benedikt XVI., der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, Bischof Desmond Tutu, 50 teils prominente Vertreter des US-Kongresses und selbst erklärte Befürworter der Todesstrafe wie der frühere FBI-Direktor William Sessions seit Jahren für die Begnadigung von Davis werben, dass Zeugen öffentlich erklärten, sie seien von der ermittelnden Polizei zu belastenden Aussagen gedrängt worden, ließ die Richter unberührt.

Fast eine Million unterzeichneten im Internet ein Gnadengesuch für Troy Davis

1267 Hinrichtungen seit 1977

Troy Davis wird - voraussichtlich – der 34. Mensch sein, der in diesem Jahr in Amerika hingerichtet wird. Insgesamt zählt das Informationscenter DPIC seit 1977 exakt 1267 vollstreckte Todesurteile. In Texas (474) gab es die meisten Hinrichtungen, gefolgt von Virginia (109) und Oklahoma (96). 34 von 50 Bundesstaaten sehen in ihren Gesetzen die Todesstrafe für schwerste Verbrechen vor. Meist wird die Giftspritze benutzt. In Gefängnissen in Kalifornien (721), Florida (398) und Texas (321) sitzen die meisten Todeskandidaten ein. Seit Beginn der 70er Jahre wurden in Amerika 138 Häftlinge wegen erwiesener Unschuld oder massiver Zweifel an ihrer Schuld aus den Todeszellen entlassen. In 23 Fällen stellte sich die Unschuld erst nach der Hinrichtung heraus. (diha)

Dann kam das digitale Zeitalter, die diffuse Macht der sozialen Netzwerke. Und mit ihnen ein öffentlicher Druck, der den anderen 3251 Hinrichtungskandidaten, die derzeit in US-Todeszellen sitzen, wohl niemals zuteil werden wird. Binnen weniger Tage zeichneten zuletzt weltweit fast eine Million Menschen via Internet ein Gnadengesuch für Troy Davis gegen. Seine Geschichte landete auf den ersten Seiten der großen Zeitungen wie in den prominentesten Fernsehsendungen. Bei einem Aktionstag gingen in mehreren US-Städten Zehntausende auf die Straße. Vor dem Gerichtsgebäude in Atlanta demonstrierten Hunderte in blauen T-Shirts mit dem Schriftzug: „Ich bin Troy Davis“. Ohne Erfolg. Anneliese MacPhail, die Witwe des Polizisten, begrüßte die Ablehnung des Gnadengesuchs. „Wir haben bekommen, was wir wollten.“

Noch am Montag hatte Stephen Bright, Präsident des Zentrums für Menschenrechte, verhalten hoffnungsvoll gesagt: „Der Staat Georgia weiß, dass die ganze Welt zuschaut.“ Georgia ließ sich von der Welt nicht beeindrucken.