Essen. . CDU Ruhr feiert 25-jähriges Bestehen. Ihr Chef klagt an: Es gebe keine Vision für das Ruhrgebiet, der Regionalverband RVR verkaufe sich unter Wert - und Duisburgs OB Sauerland sei nach der Loveparade-Katastrophe Opfer eines “Kesseltreibens“ geworden.
Auf 25 Jahre blickt die CDU Ruhr am Freitag zurück. Fritz Pleitgen will beim Festakt in Essen sprechen – und danach wird geplaudert. Über strahlende Siege, krachende Niederlagen und große Hoffnungen. Nach den Kommunalwahlen 1999 und 2004 schien es , als könnte die CDU das Revier erobern.
Das waren noch Zeiten für Christdemokraten: Das rote Dortmund wackelte, in Essen, Gelsenkirchen, Duisburg regierten plötzlich CDU-Oberbürgermeister. Danach ging’s vielerorts wieder zurück auf Null. Und in Duisburg steht Adolf Sauerland nach der Loveparade-Tragödie im öffentlichen Abseits.
Das alles hindert Oliver Wittke, „General“ der NRW-CDU und Chef der Revier-Union, nicht, von einer „Erfolgsstory“ des mit über 26 000 Mitgliedern größten CDU-Bezirkes im Land zu sprechen: Besonders die Wahl ‘99 habe Verkrustungen aufgebrochen: „Zum ersten Mal wurden danach Gemeinsamkeiten politisch umgesetzt. Beispielsweise hat sich bei der Expo Real in München nicht mehr jede Stadt einzeln präsentiert, sondern die Metropole Ruhr. Dass die Planungskompetenzen nach über 30 Jahren ins Revier zurückverlagert wurden, in den RVR, ist auch ein Ergebnis dieses Aufbruchs. Früher war die Frage doch nur: Holt die SPD in Ruhrgebietsstädten mehr oder weniger als 60 Prozent? Heute ist das Ruhrgebiet weder rot noch schwarz, sondern bunt.“.
Von Einheit und Einigkeit sei das Revier dennoch zu weit entfernt. Trotz des Kulturhauptstadtjahres. „Es gibt derzeit keine treibende Kraft, keinen Oberbürgermeister, keine Landesregierung, die eine Vision für diese Region hat. Die Aufbruchstimmung im Zuge der Kulturhauptstadt 2010 verliert sich. Die alten Egoismen greifen wieder um sich“, so Wittke. Dabei könne NRW nur mit einem einigen Revier den Anschluss an Länder wie Bayern, Sachsen, Hessen und Baden-Württemberg schaffen. Wittke: „Dafür brauchen wir mehr Zusammenarbeit und eine Persönlichkeit, die das Ruhrgebiet eint, ein Gesicht des Reviers. In den letzten 40 Jahren hat sich Europa schneller geeinigt als das Ruhrgebiet. International wird nicht eine Stadt wie Bochum, Essen oder Gelsenkirchen wahrgenommen, sondern die Region mit 5,5 Millionen Einwohnern.“
Kritik an der Umweltzone Ruhr
Der Gelsenkirchener Ex-OB Wittke schießt sich auf den Regionalverband Ruhr (RVR) ein. Der könne das Revier zusammenschmieden, verkaufe sich aber unter Wert. „Es ist ernüchternd, was die Mehrheit im RVR aus den neuen Kompetenzen gemacht hat. Der Verband könnte mit seiner Planungshoheit mehr leisten. Wo ist das Verkehrskonzept Ruhr? Wo ist die Strategie für die Flächennutzung? Musterbeispiel für eine gute Flächennutzung ist der New Park in Datteln. Wir haben ein Flächenproblem im Revier. Uns fehlen wegen der dichten Besiedelung die großen industriellen Flächen. Im Flächennutzungsplan von Datteln wäre es unmöglich, eine solche Fläche darzustellen. Darum haben Gelsenkirchen, Bottrop und andere Städte im Kreis Recklinghausen gesagt: Wir sind bereit, Fläche abzugeben, weil es der Region nützt.
Wittke kann sich vorstellen, dass eines Tages die RVR-Verbandsversammlung und der Verbandspräsident von den Bürgern direkt gewählt werden. Aber: „Jetzt, mit diesem RVR, würde das noch keinen Sinn machen.“
Die geplante flächendeckende Umweltzone Ruhr hält Wittke für „wirkungslos“. Sie würde die Feinstaub-Belastung nur marginal senken, dafür aber den Verkehrsfluss bremsen: „Wenn wir vor 20 Jahren die A 52 realisiert hätten, hätten wir heute die Feinstaubbelastung auf der Gladbecker Straße nicht.“ Für “ökonomischen Unsinn“ hält Wittke auch den Flickenteppich im Nahverkehr: „Wir brauchen keine 27 Nahverkehrsgesellschaften im VRR plus sieben Eisenbahngesellschaften. In Berlin gibt es nur eine Nahverkehrsgesellschaft. Wenn heute die Verkehrsbetriebe in Oberhausen, Mülheim und Duisburg kooperieren, ist das der richtige Weg.“
„Sündenbock-Suche“
In Duisburg, der letzten großen Bastion der CDU im Revier, meint Wittke ein „Kesseltreiben“ gegen seinen Parteifreund Adolf Sauerland zu sehen, spricht gar von einer alttestamentarischen Sündenbock-Suche. „Sauerland hat der Stadt neues Ansehen nach Jahren des Stillstandes gegeben. Derzeit ist er in einer dramatischen persönlichen Situation. Er leidet sehr unter dem, was passiert ist. Es sind nicht nur einige Betroffene, die Sauerland Vorwürfe machen sondern auch andere, die sich aus parteipolitischen Motiven hasserfüllt äußern.“ Der Schmerz der Betroffenen sei nachvollziehbar, die Angriffe der politischen Gegner nicht.
Den Wirbel um die „Wahlnomaden“ und Manipulationen von Abstimmungen im Kreisverband Duisburg kommentiert Wittke so: „Es darf nicht sein, dass vor Wahlen Mitgliederbewegungen stattfinden, um die Wahl zu beeinflussen.“ Man könne generell darüber nachdenken, ob man nicht einen „virtuellen Verband“ in der CDU schaffe. „Damit wäre es möglich, sich in der CDU zu engagieren, ohne Mitglied in einer Ortsunion oder einem Kreisverband zu sein.“