Den Haag..

Deutschland hat Italien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag vorgeworfen, bei der Entschädigung von Opfern von NS-Kriegsverbrechen gegen internationales Recht verstoßen zu haben. Italienische Gerichte hätten nicht das Recht, solche Reparationen anzuordnen, argumentierte die deutsche Seite am Montag.

Im Prozess Deutschland gegen Italien um Entschädigungszahlungen wegen Naziverbrechen hat die deutsche Seite am Montag vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag ihr Plädoyer gehalten. Die Völkerrechtsberaterin der Bundesregierung, Susanne Wasum-Rainer, sagte, beide Staaten sähen ein Urteil des IGH als einzigen Ausweg aus dem Streit. Es habe große Bedeutung, auch für das Völkerrecht und seine Entwicklung insgesamt. Hintergrund ist die von einem italienischem Gericht 2008 einem italienischen Bürger zugesprochene Entschädigung dafür, dass er 1944 zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt wurde.

Internationale Gesetze und Friedensverträge würden gefährdet, wenn nationale Gerichte diese aufheben dürften, erklärte die Völkerrechtsberaterin der Bundesregierung, Susanne Wasum-Rainer, vor dem IGH. Dies würde zu „rechtlichem Chaos“ führen, und einer weltweiten Klagewelle von Einzelpersonen Tür und Tor öffnen. Italien habe mit der Gerichtsentscheidung von 2008 die nationale Souveränität Deutschlands verletzt, sagte Wasum-Rainer.





Gericht entschied, deutschen Besitz zu pfänden

Das Oberste Gericht in Rom hatte vor drei Jahren dem Italiener Luigi Ferrini Entschädigung dafür zugesprochen, dass er als Zwangsarbeiter in der deutschen Waffenindustrie eingesetzt wurde. Das Gericht entschied, zur Durchsetzung der Forderungen Ferrinis und weiterer Kläger deutschen Regierungsbesitz zu pfänden, darunter die Villa Vigoni, ein deutsch-italienisches Kulturzentrum am Comer See. Deutschland protestierte gegen die Pfändung.

Wasum-Rainer sprach von ernsten Konsequenzen, falls das Urteil Bestand habe. Das gesamte Entschädigungssystem stehe dann auf dem Spiel. Italien habe im Friedensvertrag von 1947 zugestimmt, auf weitere Forderungen gegen Deutschland zu verzichten. Rom hingegen macht nun geltend, dass Verstöße gegen die Menschenrechte über der Staatenimmunität stünden.

Ähnliche Forderungen aus Griechenland

Deutschland und Italien tragen in dieser Woche ihre Standpunkte vor den 15 Richtern des IGH vor. Auch Griechenland, das ähnliche Forderungen gegen Deutschland hat, wird sich äußern. Zu den griechischen Klägern gehören Einwohner des Dorfes Distomo, wo SS-Soldaten am 10. Juni 1944 bei einem der schlimmsten Massaker im besetzten Griechenland 214 Zivilpersonen getötet hatten.

„Es geht nicht um Geld. Es ist eine Frage der Moral und der Gerechtigkeit“, sagte Miltiadis Sfountouris, dessen heute 78-jährige Mutter auf der Flucht vor den Nationalsozialisten aus einem Fenster sprang. Seine Mutter lebe immer noch in Distomo und habe noch keinerlei Entschädigung erhalten, sagte Sfountouris. Eine Entscheidung des UN-Gerichts wird in mehreren Monaten erwartet. (ap/afp)