New York. .

Der 11. September 2001 hinterließ in der Erinnerung der Menschen und in der Stadt eine tiefe Wunde. Sie schließt sich nur langsam. Das neue World Trade Center wird wieder 1776 Fuß hoch – das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Der Baustellenlärm vom Ground Zero dringt bis in die Wall Street. Die gewaltige Wunde im Herzen von Manhattan schließt sich. Der imposanteste Turm, der dort in den Himmel wächst, wo bis zum 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Centers standen, wird 1776 Fuß (541 Meter) hoch sein – das höchste Gebäude der USA, mächtig und voller Symbolkraft: 1776 ist das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Doch Unabhängigkeit haftet dem Bau nicht mehr an. Der Turm sollte ursprünglich den stolzen Namen „Freedom Tower“ (Freiheitsturm) tragen. Doch zwei teure Kriege (Afghanistan und Irak) und eine Finanzkrise später gewannen die zahlungskräftigen Chinesen an Einfluss. Und die haben mit der Freiheit offenbar ihre Probleme.

Der „Freedom Tower“ heißt nun „One World Trade Center“. Unter diesem Namen ließen sich die Büroräume besser vermarkten, meinten die Eigentümer der Gebäude, die Hafenbehörden von New York und New Jersey sowie die Immobilienfirma „Silversteins Properties“ kurz bevor das China Center New York den Mietvertrag für die 65. bis 69. Etage des Turms unterschrieb.

Die Chinesen waren lange die einzigen Mieter. Doch inzwischen steigt die Nachfrage. Mit dem Lifestyle-Verlag Condé Nast, der 92 900 Quadratmeter beziehen will, ist ein zweiter Großmieter gefunden. Zwischen 45 und 55 Euro pro Monat kostet der Quadratmeter Bürofläche, das liegt etwa zehn Dollar über dem Durchschnitt in Manhattan.

Gedenkstätte

Doch vor 2013 wird es nichts mit dem Einzug. Etage 80 ist gerade fertig geworden, mehr als 20 Stockwerke fehlen noch. Es wird mit Spezialstahl gebaut, der eine dicke Schicht Brandschutzfarbe bekommt. Der Sockel ist mit besonders hartem Spezialglas ummantelt, die Treppenhäuser und Fluchtwege sind breit angelegt. Architekt David Childs wollte ein „bombensicheres Bauwerk“. Es wird etwa 3,2 Milliarden US-Dollar kosten.

Busfahrer Jack, der seit Jahren den Linienbus an der Großbaustelle zum Pier fährt, dachte, dass der Süden Manhattans nach den Anschlägen ein toter Ort bleiben würde. „Die Menschen sind weggezogen und über all die Jahre nicht zurückgekommen“, sagt er. „Erst jetzt belebt es sich hier“, sagt er und hilft einer Mutter mit Kinderwagen in den Bus.

Die große Leere

Lange haben die New Yorker gestritten, wie das Zentrum des Infernos aussehen sollte. Wie gedenkt man der fast 3000 Menschen, die sich am 11. September vor zehn Jahren in den Türmen des World Trade Centers aufhielten, als die islamistischen Fanatiker Passagier-Flugzeuge in die Gebäude lenkten? Wie geht man um mit einem Massengrab? Wie gibt man diesem Ort eine Seele?

New York hat sich für große Leere entschieden. Exakt dort, wo die beiden Türme standen, sind zwei riesige Bassins in die Erde gelassen und mit grauem Granit verkleidet – die „Fußabdrücke“ der Zwillingstürme. Neun Meter tief fällt Wasser in die Becken, die „Reflecting Pools“. Es sind die größten von Menschenhand geschaffenen Wasserfälle, die im Untergrund auf einen Pavillon treffen. Die ersten Räume der Gedenkstätte sollen am zehnten Jahrestag der Anschläge fertig sein. Die komplette Fertigstellung dauert aber noch. „Reflecting Absence“ heißt die Erinnerungsstätte – nachdenken über das, was fehlt und die, die fehlen.

So viele Namen

Und es sind so viele. Die Namen der 2746 Opfer sind auf Bronzetafeln eingraviert. Mehr als 1000 von ihnen sind bis heute nicht identifiziert, weil nichts von ihnen übrig geblieben ist. Im Schatten der Giganten aus Stahl und Glas und zwischen Eichenbäumen sollen Angehörige trauern können, Ruhe finden. Zur Eröffnung der Gedenkstätte am 11. September sind nur Angehörige der Opfer zugelassen. Danach kommt nur rein, wer sich anmeldet. Spätestens 2016 soll die Gedenkstätte frei zugänglich sein, dann, wenn die Bauarbeiter das World Trade Center verlassen haben und die Wunde geschlossen ist.