Berlin. . Noch in diesem Jahr soll das Transplantationsgesetz geändert werden, damit künftig in Deutschland mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen. Wie genau die neue Spender-Regelung aussehen soll, ist aber noch offen. Zwei Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Für viele Betroffene ist es ein Wettlauf mit dem Tod. Jedes Jahr warten 12 000 Personen händeringend auf ein neues Organ. Doch jeder Dritte stirbt vor der rettenden Verpflanzung. Um mehr Spender zu bekommen, will das Parlament noch 2011 das Transplantationsgesetz ändern.
Der SPD-Abgeordnete Fritz Rudolf Körper will nun eine sehr weitreichende Regel – wie in Österreich und Spanien. Danach sollen künftig alle Bürger potenzielle Organspender sein, die sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich dagegen aussprechen. „Ich will mit einigen Kollegen einen Gesetzentwurf mit einer Widerspruchslösung nach österreichischem Vorbild vorlegen“, sagte Körper dieser Zeitung. „Spätestens im November möchten wir den Entwurf in den Bundestag einbringen.“
Wieder eine Gewissensentscheidung
Nach dem „Ja“ zur Präimplantationsdiagnostik stehen die Abgeordneten mit der Organspende vor der zweiten großen Gewissensentscheidung im diesem Jahr. Einen Fraktionszwang wird es dabei nicht geben. Neben Körpers Entwurf werden die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder (CDU) und Frank-Walter Steinmeier, Ende Oktober einen Gruppenantrag mit einer Entscheidungslösung in den Bundestag einbringen. Demnach soll jeder Bürger mindestens einmal im Leben gefragt werden, ob er nach dem Hirntod ein Organspender sein möchte. Dessen Votum könnte man auf der Gesundheitskarte festhalten. „Es ist wichtig, dass wir auf die Leute zugehen“, sagte die Chefin des Gesundheitsausschusses, Carola Reimann (SPD), dieser Zeitung. Denn grundsätzlich stehen rund 75 Prozent der Bürger der Organspende positiv gegenüber, doch nur 15 Prozent haben einen Spendeausweis. So gaben 2010 lediglich 1296 Menschen nach dem Tod Herz, Niere oder Leber weiter.
Nicht jeder muss sich sofort entscheiden
Es gibt aber noch offene Fragen im Umgang mit den Menschen, die sich für eine Organspende nicht entscheiden können oder wollen. „Um eine Mehrheit im Parlament für den Gesetzentwurf zu bekommen, werden wir um eine Option wie ,Ich möchte mich jetzt noch nicht entschieden’ wohl nicht umhinkommen“, sagte Reinmann.
Das sieht der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, ebenso: „Eine Erklärungspflicht, bei der Menschen gezwungen werden, zur Organspende Ja oder Nein zu sagen, ist nach Auffassung von Verfassungsjuristen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte der Befürworter der Entscheidungslösung dieser Zeitung. Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist ausdrücklich gegen eine Entscheidungspflicht und setzt auf mehr Information.
Aufgabe der Krankenkassen
Aus Reimanns Sicht sollten Unentschlossene regelmäßig mit dem Thema konfrontiert werden. „Dies sollten die Krankenkassen machen, wenn sie mit den Versicherten telefonieren. Spätestens aber alle fünf Jahre, wenn die Versichertenkarte geändert wird.“ Reimann geht davon aus, dass ein „Ja“ oder „Nein“ einer Person auch im Sinne von deren Familie ist. Andernfalls müssten die Angehörigen über eine Organspende etwa im Falle eines Unfalls rasch entscheiden. „Das ist eine krasse Überforderung“, sagte Reimann.
Steinmeier und Kauder hoffen, dass das geänderte Transplantationsgesetz Anfang 2012 in Kraft tritt. Sofern Länderinteressen tangiert sind, muss der Bundesrat zustimmen. Die Gesundheitsminister der Länder haben sich im Juni für die Entscheidungslösung ausgesprochen. Doch Hessen, Bayern, Sachsen-Anhalt und das Saarland wollten einst die Widerspruchslösung wie Körper. Diese allein reicht aus seiner Sicht aber nicht aus. „Es ist ebenso wichtig, dass jedes Krankenhaus einen Transplantationsbeauftragten hat.“