Berlin. .

Die Kanzlerin war nicht amüsiert. Sie sehe derzeit keine Notwendigkeit, eine Debatte über eine Änderung der EU-Verträge zu eröffnen, ließ Angela Merkel gestern ihren Regierungssprecher ausrichten. „Die Bundesregierung konzentriert sich auf das, was jetzt zu tun ist.“

Merkels Klarstellung galt ihrem Finanzminister. Seit Wochen belebt Wolfgang Schäuble die Euro-Debatte mit Bekenntnissen zu einer weitgehenden europäischen Integration. Mal plädiert er für die Direktwahl eines europäischen Präsidenten, dann spricht er sich für einen europäischen Finanzminister aus. Im Vorstand der Unionsfraktion plädierte Schäuble jetzt für eine Übertragung weiterer nationaler Zuständigkeiten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an EU-Instanzen. Auch dafür wäre eine schwierige Änderung des EU-Vertrags nötig – was prompt die kühle Reaktion der Kanzlerin auslöste.

Für Schäuble aber handelt es sich wohl nur um die Fortschreibung früherer Positionen. Schon 1994 hatte der CDU-Politiker die Idee eines Kerneuropa entwickelt, in dem einige EU-Staaten mit der Integration vorangehen. Der Euro ist jetzt der Katalysator, der schrittweise nachträglich diese politische Union herbeiführen soll. Schäuble steht mit dem Plädoyer in der CDU nicht allein: Auch Partei-Vize Ursula von der Leyen und Norbert Röttgen bekennen sich jetzt zum Projekt einer politischen Union.

Kanzlerin hält sich zurück

Die Kanzlerin hält sich in dieser Debatte deutlich zurück. Sie spricht nur allgemein von mehr politischer Zusammenarbeit in der EU, verstärkter Abstimmung zwischen den Regierungen – mehr will sie auch mit der geplanten „europäischen Wirtschaftsregierung“ nicht verbinden. Die CSU hat diese Woche klargestellt, dass sie die weitere Abgabe nationaler Kompetenzen an Brüssel ablehnt.

Merkel bleibt auch deshalb pragmatisch: Die Lösung der Euro-Krise müsse im Rahmen der geltenden Verträge geschehen, stellte ihr Sprecher klar. Das weiß auch Schäuble: Die Änderung des EU-Vertrags werde Jahre dauern, die aktuelle Probleme löse das nicht, sagt der Minister. Aber: Die Krise zeige, dass die EU-Staaten ein Stück ihrer nationalen Souveränität abgeben müssten.