Tripolis/Madrid. . Über 30 Jahre hinweg hat Muammar Gaddafi sein Land für Milliarden untertunnelt. Die Anlagen verbinden mehrere Städte miteinander. Auf diese Wege könnte der Machthaber entkommen sein. Ins Ausland oder in die Wüste?
Das Hauptquartier des libyschen Diktators Muammar Gaddafi ist gefallen, doch von dem Tyrannen und seiner Familie gibt es keine Spur. Versteckt er sich in dem riesigen Tunnel- und Bunkersystem, das sich unter seinem Militärkomplex in Tripolis erstreckt? Oder gelang ihm noch rechtzeitig die Flucht aus der Hauptstadt, um sich irgendwo in der Wüste oder sogar im Ausland zu verstecken?
„Es gibt Informationen, wonach er sich noch in Tripolis verbirgt“, sagt Ahmed Dschabril, Sprecher des Übergangsrates der Opposition. Auch wenn andere behaupteten, dass er die Stadt verlassen habe. Aber das sei gar nicht so wichtig, so Dschabril. Entscheidend sei, dass er bald gefangen genommen werde: „Gaddafi ist nicht länger der Führer dieses Landes.“
Gleichwohl meldete sich Gaddafi in der Nacht zu Mittwoch erneut mit einer bizarren Ansprache über einen TV-Sender zu Wort. Er bezeichnet den Rückzug seiner Festung Bab al-Azizia als ein taktisches Manöver. Das Anwesen sei nach mehr als 60 Nato-Luftangriffen zerstört. Er werde weiterkämpfen bis zum Sieg oder bis zu seinem Tod.
Geheime Tunnel unter der Stadt
Man weiß, dass Gaddafi, der sich stets große Sorgen um seine Sicherheit machte, viele Milliarden Dollar in den Bau riesiger unterirdischer Bunker- und Tunnelanlagen im ganzen Land investierte. Von seiner Hauptresidenz im von den Rebellen eroberten Militärkomplex Bab al-Azizia sollen geheime Röhren unter der ganzen Stadt entlangführen. Ein Labyrinth, über das angeblich auch der Flughafen, der Hafen und getarnte Ausgänge an verschiedenen Orten der Stadt erreichbar sind.
In der Stadt Al-Bayda, die schon vor Monaten von den Rebellen erobert wurde, fand man einen Gaddafi-Bunker, in dem er nach Zeugenberichten „Monate hätte überleben können“. Mit eigener Luft-, Wasser- und Stromversorgung. Ausgestattet mit westlicher Technologie, dicken Stahltüren – und atombombensicher.
Ein ähnliches Versteck soll sich auch in Gaddafis Geburtsstadt Sirte befinden, die noch nicht unter Kontrolle der Rebellen ist. Und auch in der Wüstenstadt Sabha, wo Gaddafis Volksstamm lebt, und wo er früher an seinem Atomwaffenprogramm basteln ließ.
3000 Kilometer Rohrleitungen
Zudem ranken sich Spekulationen rund um das riesige unterirdische Bewässerungssystem, mit dem Gaddafi Trinkwasser aus den Tiefen der Sahara in die Küstenstädte pumpen lässt. Der „Große menschgemachte Fluss“, wie Gaddafi dieses Megaprojekt taufte, umfasst knapp 3000 Kilometer Rohrleitungen, mehr als tausend Brunnen, dutzende künstliche Wasserspeicher.
Muammar al Gaddafi
Weil die Rohre vielerorts einen Durchmesser von vier Metern aufweisen, hegten westliche Geheimdienste den Verdacht, dass der „große Fluss“ auch militärischen Zwecken dienen könnte. Etwa zu geheimen Truppentransporten, als Waffenversteck oder als unterirdischer Fluchtweg. Das gigantische Röhrensystem, in fast 30 Jahren Bauzeit erstellt, kostete 25 Milliarden Euro. Es verbindet unter anderem die Städte Tripolis, Sirte, Sabha und Bengasi.
Westliche Spionagesatelliten und Überwachungsflugzeuge durchkämmen nun mit ihren Radaraugen und High-Tech-Kameras die libysche Wüste, um den Diktator aufzuspüren. Doch auch eine Flucht Gaddafis ins Ausland ist nicht auszuschließen. Muammar Gaddafi erwies sich in der Vergangenheit immer wieder als ein Meister des Versteckspiels.