Berlin. . Gesundheitsminister Daniel Bahr stimmt die Bundesbürger auf steigende Pflegebeiträge ein. Gute Pflege gebe es nicht zum Nulltarif, so der FDP-Politiker. Bei der Finanzierung deutet sich jedoch ein Streit mit der CSU an.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat die Bürger auf höhere Kosten bei der Pflegeversicherung eingestimmt. Die Koalition wolle unter anderem die pflegenden Angehörigen stärken und sich mit einer neuen Vorsorge für die steigende Zahl von Pflegebedürftigen im Alter wappnen, sagte der FDP-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Gute Pflege gibt’s nicht zum Nulltarif.“
Zugleich bekräftigte er, die Pflegeversicherung solle um eine kapitalgedeckte Säule ergänzt werden und erteilte damit andersartigen Überlegungen in der Koalition eine Absage. Die CSU hält eine solche Säule jedoch keineswegs für ausgemacht, wie Unions-Fraktionsvizechef Johannes Singhammer betonte. Damit bahnt sich neuer Streit im Bündnis an.
Die Eckpunkte für die Pflegereform sollten ursprünglich vor der Sommerpause vorliegen, nun hat Bahr einen Entwurf bis 23. September versprochen. Damit sollen auch die Leistungen für Demenzkranke verbessert und der Pflegeberuf attraktiver gemacht werden. Auf die Frage, wie stark der Pflegebeitrag für Arbeitnehmer steigen werde, sagte Bahr: „Es ist noch nichts entschieden.“
Private Pflegezusatzversicherung umstritten
Die Zahl der auf Pflege angewiesenen Menschen wird Prognosen zufolge in den kommenden Jahrzehnten rapide steigen. Union und FDP verabredeten daher 2009 in ihrem Koalitionsvertrag, Vorsorge zu treffen und die Bürger Geld in einer verpflichtenden und individualisierten kapitalgedeckten Säule ansparen zu lassen. Dagegen gibt es jedoch Vorbehalte in der CSU: „Durch welche Form der zusätzlichen Vorsorge die demografischen Herausforderungen bewältigt werden können, dazu gibt es in der Koalition noch keine Einigung“, sagte Sozialpolitiker Singhammer.
Bei CSU wie CDU gibt es etwa eine Reihe von Politikern, die die Aufwendungen für die Zukunft lieber über den allgemeinen Beitragssatz abfedern wollen, wodurch auch die Arbeitgeber beteiligt würden. Auch aus den normalen Beitragsgeldern könnte eine Rücklage aufgebaut werden. Denkbar ist auch eine Mischung aus höheren allgemeinen Beitragssätzen und einer Kapitaldeckung.
Bahr steckt im Dilemma
Kaum jemand in der Koalition geht noch davon aus, dass der Beitrag von derzeit 1,95 Prozent (Kinderlose: 2,2 Prozent) nicht erhöht werden muss. Berechnungen einzelner Unionspolitiker ergaben gar einen Mehraufwand durch die Reform von bis zu 0,6 Punkten.
Bahr schob am Montag bei einem Auftritt mit seinem Amtsvorgänger Philipp Rösler nach, er habe nicht gesagt, dass etwas teurer werde. „Da ist noch nichts entschieden.“ Ziel der Koalition sei es nicht, einfach die Beiträge zu erhöhen. Intern wurden die Äußerungen jedoch als zarter Hinweis auf mögliche höhere Kosten gedeutet.
Bahr war vergangene Woche rund 100 Tage im Amt, die Pflegereform gilt als sein Prestigeobjekt in dieser Legislaturperiode. Doch steht er vor einem Dilemma: Deutliche Verbesserungen kosten Geld. Die Koalitionsspitzen haben jedoch versprochen, die Arbeitnehmer außer bei den Steuern auch bei den Sozialabgaben zu entlasten.
Bahr setzt deshalb auch auf Einspareffekte durch die Reform, indem etwa so lange wie möglich die Pflege zu Hause statt in einem Heim ermöglicht wird. „Wir brauchen mehr ambulante Pflege statt teurer Heimpflege. So sparen wir Kosten.“
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, unterstrich, Schwarz-Gelb wolle den Grundsatz „ambulant vor stationär“ stärken und Familien unterstützen. Das helfe den Menschen und spare Geld. „Trotzdem wird in einer älter werdenden Gesellschaft Pflege teurer werden“, betonte der CDU-Politiker. Es müsse daher Geld zurückgelegt werden, um auch in 30 Jahren eine gute Pflege bezahlen zu können. (rtr)