Stuttgart. . In Stuttgart wird der Stresstest für das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 vorgestellt. Doch schon jetzt ist klar: Der erfolgreiche Test setzt keinen Schlusspunkt unter den Streit zwischen Bahn und Bahnhofsgegnern.

Der Schlichter beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21, Heiner Geißler, sieht kein Ende des Streits um das Milliardenvorhaben. „Ich glaube nicht, dass man da einen Schlussstrich ziehen kann“, sagte er vor der Vorstellung des Stresstests zu Bewertung des Vorhabens.

Grund sei, dass sich seit Beginn der Schlichtung die politischen Verhältnisse in Baden-Württemberg mit dem Amtsantritt rot-grünen Koalition grundlegend verändert hätten. Die neue Regierung habe ein Gesetz verabschiedet, das das Land zum Ausstieg aus der Finanzierung ermächtige, eine Volksabstimmung sei geplant. „Infolgedessen wird es für die Bahn sehr schwer sein, in diesem Umfeld die ursprüngliche Planung durchzuführen“, sagte Geißler. Darüber müsse am Freitag bei Vorlage des Stresstests gesprochen werden.

Wortklauberei um Begrifflichkeiten

Geißler kritisiert auch die „Wortklauberei“ um Begriffe wie „Premium-Qualität“ oder „optimale“ Betriebsqualität des neuen Bahnhofes. Die sei keinem mehr zu vermitteln. „Wir müssen heute Übereinstimmung erzielen in der Absicht, dass auch der neue Bahnhof Verspätungen abbauen kann“, sagte er. Ob es eine neue Kosten-Nutzen-Analyse geben müsse, „hängt von der Bewertung der Finanzierungsprobleme ab“, sagte er.

Dabei würden die Finanzierungsgrundlagen für Stuttgart 21 von den Kontrahenten ohnehin schon strittig beurteilt. Wenn das Land aus der Finanzierung aussteigen sollte, gebe es eine Finanzierungslücke von mehr als einer Milliarde Euro. „Auf jeden Fall sind die Risiken enorm“, sagte Geißler. „Das sind Riesenprobleme, die die Bahn nun zu bewältigen hat.“ Da dürfe man aber den Staatskonzern nicht alleine lassen. Das Unternehmen sei nicht für die Änderung der politischen Verhältnisse verantwortlich. Einen neuen Belastungstest für den Bahnhof hält Geißler aber nicht für nötig. „Nein, in dem Verfahren kann man keinen neuen Stresstest verlangen“, sagte er.

Das sieht die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen „Stuttgart 21“, Brigitte Dahlbender, anders. Sie forderte einen zusätzlichen Stresstest für das umstrittene Bahnhofsprojekt. Das Gutachten des Schweizer Ingenieurbüros SMA habe „mitnichten der Bahn ein sehr gutes Ergebnis bestätigt“, sagte Dahlbender im Bayerischen Rundfunk. Vielmehr sei unterm Strich ein „Mangelhaft“ herausgekommen. Dies bedeute für alle Beteiligten: „Zurück auf Start und einen neuen echten Stresstest erstellen.“

Bahn lehnt weiteren Stresstest ab

Das lehnt die Bahn aber ab. Bahnvorstand Volker Kefer schloss einen weiteren Stresstest aus. „Wir haben jetzt genügend Transparenz geleistet, um den Nachweis zu führen“, sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Der Stresstest sei nach den Regeln der Verkehrstechnik aufgebaut. Das Aktionsbündnis gegen „Stuttgart 21“ sei zuvor ausreichend mit einbezogen worden.

Mit dem Nachweis, dass „Stuttgart 21“ den Stresstest bestanden hat, ist nur eine der Forderungen aus der Schlichtung erfüllt. Geißler hatte in seinem Schlichterspruch Ende November vergangenen Jahres „entscheidende Verbesserungen“ am Bahnprojekt gefordert.

Kostspielig wäre es für die Bahn geworden, wenn sie zwei zusätzliche Gleise im Tiefbahnhof hätte bauen sollen. Ob diese notwendig sind, sollte der Stresstest klären. Vorgabe war, dass der neue Bahnhof eine Leistungssteigerung von 30 Prozent in der Spitzenstunde „bei guter Betriebsqualität“ schafft.

Stresstest bestanden

Laut dem Schweizer Gutachterbüro SMA, das die von der Bahn erstellte Computersimulation überprüft hat, ist dies gelungen. Die Landesregierung, geführt von einem Grünen als Ministerpräsidenten, hat dies mittlerweile akzeptiert.

In dem mehr als 200 Seiten umfassenden SMA-Papier heißt es unter anderem: „Unsere Prüfung der Simulationsergebnisse hat gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Hauptbahnhof Stuttgart in der am meisten belasteten Stunde und mit dem der Simulation unterstellten Fahrplan mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität abgewickelt werden können. Die vom Schlichter geforderten anerkannten Standards des Eisenbahnwesens sind eingehalten.“

Aufwändige Simulation

Der Begriff der „optimalen Betriebsqualität“ sorgt jedoch für neuen Streit. Im Schlichterspruch war „gute Betriebsqualität“ verlangt worden - ein Begriff, den es seit 2007 nicht mehr im Regelwerk der Bahn gibt. Die Projektgegner fordern nun, die Bahn solle eine Leistungssteigerung von 30 Prozent sicherstellen - nicht nur bei „wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität“, sondern bei „Premiumqualität“, also der höchsten Qualitätsstufe.

Zur Qualität befanden die Schweizer Gutachter: Verspätungen zu Spitzenzeiten bauen sich bei „Stuttgart 21“ zwar nicht ab, bleiben aber gleich oder erhöhen sich nur minimal. So kommt es bei der Anfahrt zum Hauptbahnhof und bei der Wegfahrt jeweils zu einem leichten Verspätungsaufbau, der jedoch durch die Fahrplanreserven am Bahnhof selbst aufgefangen werden kann. Dadurch ergibt sich die Einstufung „wirtschaftlich optimal mit leicht abnehmender Verspätungstendenz“.

Für die Simulation hatten die Fahrplan-Planer der Bahn AG die gesamte, teils noch gar nicht vorhandene technische Infrastruktur in einem Computerprogramm abgebildet. Das habe die Eingabe von 5.000 Haupt- und Vorsignalen bedeutet, hieß es. Im eigentlichen Stresstest sind 100 Betriebstage zwischen 6 und 10 Uhr simuliert. Mit der neuen Landesregierung wurde laut Bahnvorstand Volker Kefer schriftlich vereinbart, dass der Stresstest auf den vom Land vorgegebenen Grundtakt von 26 Zügen im Regionalverkehr auf bis zu 49 Zügen in der Spitzenzeit erweitert wurde. In der Simulation wurden auch die Auswirkungen des Güterzugverkehrs auf die Zuläufe berücksichtigt. Denn im Stuttgarter Bahnknoten selbst wird es keinen Güterverkehr geben.

Flughafen soll zweigleisig angebunden werden

Das SMA-Gutachten sieht einen Teil der bereits in der Schlichtung vereinbarten Infrastrukturmaßnahmen als notwendig an. Dazu zählt die Ausrüstung der neuen Strecken mit konventioneller Leittechnik ebenso wie die zweigleisige Anbindung des Flughafens an die Neubaustrecke. Die Erweiterung des Tiefbahnhofs von acht auf zehn Gleise ist nach Ansicht der SMA hingegen nicht nötig für einen stabilen Betrieb. Laut der Bahn sind dies alles Änderungen, die nicht den Kostenrahmen sprengen. (rtr/dapd)