London. . Rupert Murdoch spielte bei seinem Auftritt vor dem britischen Parlament den Ahnungslosen. Er habe erst vor zwei Wochen von dem Abhörskandal gehört, von einer Klage gegen eine Reporter ebenfalls. Umso peinlicher wurde die Anhörung für Scotland Yard.
Die mächtige Murdoch-Dynastie muss Rechenschaft vor dem britischen Parlament ablegen. Den größten Medienskandal Großbritanniens ersticken konnte die Fragestunde von Westminster gestern nicht. Stattdessen wurden der Öffentlichkeit weitere illustre und schockierende Details der Affäre um illegale Recherche-Methoden von Murdoch-Journalisten serviert.
Der Parlamentskanal, sonst Hort gähnender Langeweile, zeigte ein Drama im Hollywood-Stil. Der Medienmogul Rupert Murdoch (80) und Sohn James sollten in dem Drama, noch am Vorabend durch den Tod eines Reporters angeheizt, als Bösewichte auftreten – und die Parlamentarier auf der Seite der Guten.
Es kam anders. „Lassen Sie mich eines sagen“, fuhr Murdoch Senior seinem stotternden Sohn James in die Parade, „dies ist der erniedrigendste Tag meines Lebens.“ Dazu trug noch bei, dass Murdoch von einem Zuschauer mit Rasierschaum beworfen wurde.
„Frustriert von der Arbeitsweise“
Zutiefst frustriert hätte ihn, so der Verleger, die Arbeitsweise seiner britischen Blätter, das illegale Abhören von Telefonaten und die Schmiergeldzahlungen seiner Leute. „Ich habe davon vor zwei Wochen zum ersten Mal gehört“, sagt er.
„Sie wussten nicht, dass ein Richter einen Ihrer Reporter verurteilt hat, weil er versucht hatte, zwei Prostituierte zu erpressen?“, fragte ihn Tom Watson, Labour-Abgeordneter, nachdrücklich. „Nein“, antwortete Murdoch, „davon höre ich jetzt zum ersten Mal.“
„Ich habe mich geekelt“
„Und Ihre Unternehmensanwälte haben Ihnen nichts davon erzählt?“, hakt Watson nach. Doch der Senior muss passen. Er wisse nicht einmal, wie die Juristen seiner britischen Tochterfirmen heißen.
Als er vor zwei Wochen von den Vorwürfen gehört habe, habe er die „News of the World“ sogleich geschlossen. „Das war keine wirtschaftliche Entscheidung, ich war schockiert und habe mich geekelt.“ Die Reporter hätten das Vertrauen der Leser verloren: „Stellen wir solche Sachen bei unseren anderen Zeitungen fest, machen wir das Gleiche.“ Murdoch gab auch an, über zurückliegende Entschädigungszahlungen an Abhöropfer in Millionenhöhe nicht informiert worden zu sein – autorisiert hatte sie sein Sohn James.
Luxus-Urlaub spendiert
Rupert Murdoch mag desinteressiert, falsch beraten und fern vom Geschehen an der Themse gewesen sein – doch als Schurke, der Journalisten zu Straftaten animiert, ist er aus der Anhörung nicht herausgegangen. Stattdessen ist ausgerechnet die Polizeibehörde Scotland Yard, in England bislang der Garant schlechthin für Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit, ins Zwielicht geraten.
Eine Serie von Chaos und Pannen hatte nämlich zuvor die Befragung von Paul Stephenson enthüllt. Der Ermittler war am Sonntag als Scotland-Yard-Chef zurückgetreten, nachdem sich herausgestellt hat, dass ihm Journalisten mit Kontakten zu „News of the World“ einen fünfwöchigen Luxus-Urlaub spendiert hatten. Seine gestrigen Ausführungen sorgten für weiteres Kopfschütteln: Obwohl der Behörde Tausende Seiten mit illegal erlangten Abhörprotokollen aus Redaktionen vorlagen, hatte Stephenson nichts unternommen. Das Material verschwand stattdessen in Müllsäcken. Er habe einfach „nicht die Ressourcen“ gehabt, so Stephenson.
Zehn Polizei-Mitarbeiter waren Ex-Reporter von Murdoch
Wie eng die Verbindungen zwischen der illegal operierenden „News of the World“ und der Polizei waren, zeigt auch ein Blick in die Presseabteilung der Polizei: Zehn der Mitarbeiter sind ehemalige „News of the World“-Reporter. Dutzende Male hatte Behördenchef Stephenson sich mit Vertretern des Blattes getroffen. „17 Prozent meiner Pressekontakte galten News of the World, die aber auch 16 Prozent der Leserschaft auf sich vereint“, rechtfertigte sich der Ex-Polizei-Chef.
Vor allem der konservative Premier David Cameron gerät durch Stephensons Aussagen massiv unter Druck. Neil Wallis, jener Skandalreporter, dessen Tochter bei der Polizei unterkam und der selber lukrative PR-Aufträge von der Behörde erhielt, sollte, so Stephenson, auf Anraten des Premiers nicht in Verbindung mit dem Abhörskandal gebracht werden. Auf diese Weise sollte Cameron vor dem Skandal geschützt werden.
Durch die Hintertür
Auch Rupert Murdoch brachte Cameron bei der Befragung in Bredouille. Gefragt, warum er nach dem Wahlsieg des konservativen Premiers zum Teetrinken durch den Hintereingang statt die Haustür der Downing Street Nr. 10 geschleust wurde, sagte er: „Darum wurde ich gebeten.“ Und um zu bekräftigen, dass dieser Umgang mit einem der reichsten Medienmacher der Welt normal sei, fügte er hinzu: „So war das schon bei Gordon Brown.“