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70-mal schossen die Mafia-Mörder der ’Ndrangheta vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Am Ende lagen sechs Leichen vor dem Restaurant „Da Bruno“. Was im August 2007 im Ruhrgebiet passiert ist, hat den Deutschen klargemacht: Die organisierte Kriminalität ist anwesend. Fast überall. Russen haben sich in Berlins Unterwelt festgesetzt. Albanische Clans machen in Hamburg Probleme. In Hannovers Steintorviertel gehen Hell’s Angels ihren Geschäften nach und beherrschen ganze Häuserblocks.

Die weltweit tätigen Organisationen sind längst breiter aufgestellt – und gefährlicher geworden. „Wir kennen 75 Gruppen, die transnational operieren. Sie tun dies in 23 Arten des organisierten Verbrechens. Drogen sind nur noch eines der Themen“, sagt der amerikanische Regierungsberater Edgardo Buscaglia von der Universität von Virgina. Neuer Trend: Russische Oligarchen und südamerikanische Mafiosi kaufen sich in Firmen und Konzerne ein.

„Opel hat Glück gehabt“

Buscaglia hat auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin das Beispiel des mexikanischen Sinaloa-Kartells genannt, das seine durch Verbrechen erwirtschafteten Gewinne in profitträchtige Pharmafirmen steckt. „Opel hat Glück gehabt“, ergänzt der Autor und Kriminalitätsexperte Jürgen Roth. Denn 2009 entging die europäische Tochter des US-Konzerns General Motors nur knapp dem Verkauf an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna. Auch der war belastet.

An Magna war zu dem Zeitpunkt Oleg Deripaska beteiligt. Die 5. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts ordnete den Russen im Urteil vom 31. Mai 2010 der Ismailovskaja zu. Das ist eine der größten kriminellen Organisationen Russlands. Sie arbeitet weltweit illegal. Deripaska war für einen Teil dieses Handels zuständig. Über Morde und die Verfahrensweisen der Gruppe wusste er Bescheid, ließen die Richter durchblicken.

Mafiabeteiligung

Alarmierend findet Roth auch die Zusammenhänge eines Geschäfts von Fraport, Frankfurts Flughafengesellschaft mit einer 51-prozentigen deutschen Staatsbeteiligung. Sie betreibt in Bulgarien gemeinsam mit einer Tochtergesellschaft der TIM-Gruppe den Flughafen Varna. US-Diplomaten werfen seit Jahren ein Auge auf die Mafia-Entwicklungen in dem EU-Land. Es ist bekannt, dass Geldbeträge, die sich die alten kommunistischen Kader vor der Wende von 1989 erpresst und ergaunert hatten, in kapitalistische Geschäfte der Nachwendezeit investiert und dort gewaschen wurden.

Ehemalige Staatsfirmen wie TIM geraten immer wieder ins Visier. 2005 kabelte der Sofioter US-Botschafter James Pardew ans State Department, die TIM-Gruppe sei „die einflussreichste kriminelle Organisation in Bulgarien“. Auch der Bundesnachrichtendienst warnte: „Bei geplanten oder bereits durchgeführten Investitionen deutscher Firmen in osteuropäische Subunternehmen… kann eine Mafiabeteiligung an diesen osteuropäischen Unternehmen nicht ausgeschlossen werden.“

Personalmangel bei den Fahndern

Wie ist die Entwicklung zu stoppen? Durch mehr Aufmerksamkeit im eigenen Land. Im Ruhrgebiet, so Buscaglia, hätten ihm Fahnder von großen Personallücken berichtet: „Es gibt Beamte in Essen, die erzählen, wir brauchen mehr Hilfe, wenn wir russische und osteuropäische Banden bekämpfen sollen.“ Die mexikanische Sinaloa schaue sich im Revier um, auch in Einkaufszentren. In Münster, wurde bei der Berliner Tagung berichtet, müssten Polizeiexperten für Wirtschaftskriminalität Streife gehen. Zu wenig Beamte stünden zur Verfügung. Und zu wenig, so Buscaglia, investiere der Staat in den entscheidenden Zweig der Steuerfahndung.