Mannheim.Der katholischen Kirche hierzulande ist am Wochenende gelungen, was ihr kaum noch zugetraut wurde. Nach all den Enttäuschungen der vergangenen Jahre über Abfuhren bei Forderungen nach mehr Öffnung und vor allem nach dem abgrundtiefen Schock über den Missbrauchsskandal konnte sie tatsächlich wieder Aufbruchstimmung erzeugen.
Gelungen ist ihr das mit einem Experiment. Die Bischofskonferenz lud 300 Katholiken – Bischöfe, Verbände, Ordensleute, Priester, Theologie-Professoren und Mitglieder der Diözesanräte in den Gemeinden – zu einem Gesprächsforum nach Mannheim. Vorgegeben war nur die Absicht: Man wollte über alles reden, was ihnen an ihrer Kirche gefällt und missfällt. Neu war nicht nur das, neu war auch die Gesprächsform.
Es gab kein Podium, keine Reden, keine Debatten. Diskutiert wurde zwei Tage lang an runden Tischen in kleinen Gruppen aus je acht Personen, die ausgelost wurden. Je nach Thema wechselte die Zusammensetzung. Und da mussten dann die Bischöfe, die ansonsten ja gern Themen und mitunter auch schon mal Ergebnisse vorgeben, wie jeder andere Teilnehmer auch mitarbeiten, diskutieren, sich auf Argumente einlassen, eigene Argumente nicht aufsagen, sondern dafür werben.
Frauen wollen Gemeinden leiten
Ganz neue Erfahrungen nicht nur für die Oberhirten. Auch die Katholiken, die ansonsten höchstens ihren „eigenen“ Bischof kennen, hatten die Chance, mit vielen anderen ins Gespräch zu kommen.
Und was sie bewegt, das trugen sie am Ende vor. Es hatte die Wucht von Felssteinen in sich: Es waren vor allem zwei Anliegen, die immer wieder vorkamen: Katholiken wollen eine „Seelsorge der Barmherzigkeit“. Was abstrakt klingt, erklärten sie mit einfachen Worten. Sie wollen, dass ihre Kirche „barmherziger“ mit dem Scheitern umgeht, mit Geschiedenen, die wiederverheiratet sind. Sie sind bisher vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Außerdem wollen sie einen anderen Umgang mit Homosexuellen. Die zweite Forderung: Partnerschaft zwischen Mann und Frau in der Gemeindearbeit. Die Priesterweihe für Frauen war kein Thema, aber die Diakonatsweihe und: Frauen wollen endlich Gemeinden leiten.
Ganz konkrete Forderungen also an die Bischöfe. Und die, die da waren, 30 an der Zahl, verstanden das genau so. „Dieser Weg wird weitergehen“, versicherte etwa Robert Zollitsch, Vorsitzender der Bischofskonferenz und Initiator des insgesamt auf fünf Jahre angelegten „Dialogprozesses“. Er werde die Bischofskonferenz unterrichten und versprach ein Folgetreffen in einem Jahr. Im August werde er auch dem Papst berichten. Kardinal Reinhard Marx: „Wir nehmen alles ernst, das verspreche ich Ihnen.“ Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, angetan von der großen Offenheit im Forum, warnt dennoch vor unerfüllbaren Erwartungen etwa an die Veränderbarkeit moralischer Positionen der Kirche: „Wir werden mit Spannungen weiter leben müssen“, sagte er der WAZ.
„Das darf nicht scheitern“
Dennoch: Nach zwei Tagen, auch das ist neu für die Kirche, waren alle begeistert -- Bischöfe, Theologie-Professoren, Konservative und Reformorientierte ebenso wie die Basis aus den Gemeinden. „Ich bin sehr hoffnungsvoll“, gestand Björn Enno Hermans vom Diözesanrat im Ruhrbistum. Aber er sieht den Vorstoß nicht frei von Sorge. „Wir machen hier und auch in Essen einen großen Aufschlag. Da steckt enormes Engagement hinter. Entscheidend wird aber sein: Was wird aus den Botschaften?“ Anne Cebulla, ebenfalls aus dem Bistum Essen, warnt: „Wenn das scheitert, dann wird es schlimmer als vorher.“ Will also heißen: Die Bischöfe sollen das nicht nur hören, es muss auch Folgen haben.
Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück, sieht das wohl ähnlich. Er brachte es später auf den Punkt: „Das lässt sich nicht mehr in die Tube zurückdrücken.“