Duisburg. . Ein Gewalttäter zog das Kind ins Gebüsch. Die alte Dame schritt beherzt ein – und liegt nun mit einem gebrochenen Arm im Krankenhaus. Der Täter konnte gefasst werden.

Beherzt kann man ihr Handeln nennen, resolut ihr Auftreten. Und beides wäre noch untertrieben. Eine 85-jährige Frau hat in Duisburg einem siebenjährigen Mädchen möglicherweise das Leben gerettet, weil sie eingriff, als ein Mann das Kind in ein Gebüsch ziehen wollte. Nun liegt die alte Dame mit Prellungen, Schürfwunden und einem gebrochenen Arm im Krankenhaus. „Heldin“ wird sie genannt, was sie übertrieben findet. „War doch selbstverständlich“, lässt sie übermitteln und möchte möglichst wenig „Aufhebens“ um die Sache.

Es ist Freitagnachmittag. Im Duisburger Stadtteil Wanheim-Angerhausen spielt ein kleines Mädchen vor dem Haus. Als ihre Mutter schnell etwas aus der Wohnung holen will, ist die Kleine für ein paar Minuten allein. Die rüstige Seniorin steht am Fenster ihrer Wohnung, als sie plötzlich sieht, wie das Kind von einem Mann in ein Gebüsch gezerrt wird. Trotz ihrer 85 Jahre zögert die Frau keinen Augenblick und stürmt nach drau­ßen. „Was haben Sie mit dem Mädchen vor“, fragt sie den Unbekannten. Doch statt einer Antwort geht der Mann auf die alte Dame los.

Brutal schlägt er auf sein neues Opfer ein. Dann verdreht er ihr den Arm, in dem sie ein Schlüsseletui hält, das der Mann offenbar mit einer Geldbörse verwechselt, die er rauben will. Endlich werden Passanten auf die Situation aufmerksam und kommen herbeigelaufen. Der Schläger flüch­tet, die rüstige Rentnerin bleibt schwer verletzt zurück, dem Kind ist nichts passiert. „Wir haben den Eindruck, dass das Mädchen nicht so richtig mutmaßen kann, was mit ihr passieren sollte“, wird Holger Haufmann, Leiter der Duisburger Polizeiinspektion, später sagen.

Noch während die alte Dame ins Krankenhaus kommt, leitet die Polizei eine Großfahndung ein. Mit Erfolg. Am Freitagabend wird ein 27-Jähriger festgenommen. Er ist kein unbeschriebenes Blatt. Bereits mehrfach wegen Raubdelikten vorbestraft, wurde er erst im März dieses Jahres nach einer vierjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen.

Nicht der Rede wert

Die resolute Rentnerin lag gestern noch in einer Duisburger Klinik. Ihr Bruch sei so kompliziert, dass sie wohl operiert werden müsse, hieß es dort. Auch deshalb will sie ihre Ruhe. Und weil sie die Aufregung um ihre Person nicht so ganz verstehen kann. Es sei „das Selbstverständlichste von der Welt“ gewesen zu helfen, lässt sie über ihren Arzt ausrichten. „Da müssen wir gar nicht drüber reden.“

Das sieht längst nicht jeder so. Die Gesellschaft lebe von couragierten Menschen wie dieser alten Dame, heißt es am Wochenende bei der Duisburger Polizei, wenngleich die Frau vielleicht sogar ein wenig zu couragiert eingegriffen und sich so selbst in Gefahr gebracht habe. „Aber“, sagt ein Polizeisprecher, „wir ziehen den Hut davor, dass sie so weit gegangen ist, um das Mädchen zu beschützen.“