Bern. . Wasserkraft ist die wichtigste Säule des Schweizer Energiemixes. Nun sollen Schutzgebiete für den Ausbau genutzt werden
Die Denkmalschützer haben schon mal vorsorglich Interesse angemeldet. Der Ausstieg aus der Atomenergie müsse nicht zwangsläufig „das Todesurteil für die bestehenden Atomkraftwerke als Bauten bedeuten“, meint Johann Mülle. Der Denkmalpflege-Chef im schweizer Bundesamt für Kultur nennt etwa die markanten Kühltürme der AKW in Gösgen Leibstadt – sie könnten als Zeitzeugen der Technologiegeschichte dienen und damit erhaltenswert sein.
Atomkraftwerke – ein Fall für den Denkmalschutz? Ganz so weit ist es in der Schweiz noch nicht. Das kleine Land deckt seinen Energiebedarf heute zu fast 40 Prozent aus der Atomkraft. Der Bundesrat, also die Regierung, hat zwar entschieden, das alle fünf Kernkraftwerke bis zum Jahr 2034 abgeschaltet werden soll. Die Entscheidung muss aber vom Parlament und vom Volk endgültig bestätigt werden. Den Eidgenossen stehen noch heiße energiepolitischen Debatten bevor. Wie genau die Kernenergie ersetzt werden soll – das ist strittig.
Nicht per se ökologisch
Umwelt- und Landschaftsschützer sind entsetzt über ein Faktenblatt, das das Bundesamt zum Ausbau der Wasserkraft vorgelegt hat. Mit einem Anteil von fast 60 Prozent ist die Wasserkraft schon heute die wichtigste Säule des Schweizer Energiemixes. Durch neue Stauseen und weitere Kleinkraftwerke lasse sich hier noch ein Zuwachs von jährlich vier Terrawattstunden generieren, meinen die Fachleute – wohlgemerkt: ökologisch vertretbar, wie sie beteuern.
Eine unrealistische Vorgabe, meint Andreas Knütti. Nach Ansicht des Experten der Umweltschutzorganisation WWF muss der Atomausstieg vor allem durch Energieeinsparung aufgefangen werden sowie durch den Ausbau von Energie aus Sonne, Wind und Biomasse. Wasserkraft hingegen sei nicht per se ökologisch, und die Energiegewinnung stoße hier bereits jetzt an Grenzen. „Das Potenzial der Wasserkraftgewinnung ist bei uns schon zu 90 bis 85 Prozent ausgereizt “, meinte Knütti im Gespräch mit der NRZ.
Bereits heute habe die Energiewirtschaft damit zu kämpfen, dass es wegen des Klimawandels nicht mehr so viel Regen gibt. Um diesen Rückgang aufzufangen, seien bereits jetzt neue Wasserkraftwerke geplant, andere müssten umgerüstet werden, weil sie mit dem Wasser nicht nachhaltig umgehen, was aber mittlerweile per Gesetz vorgeschrieben ist. Mit diesen Ausbauplänen sei das Potenzial der Wasserkraft erschöpft, ein weiterer Zuwachs nicht möglich, schon gar keine vier Terrawattstunden. Eine Terrawattstunde entspricht einer Billion Wattstunden.
Das Bundesamt für Energie freilich wirft in die Debatte, dass man doch bisher geschützte Landschaften nutzen könne. Dabei geht es ganz konkret um neun Gebiete wie etwa die im Kanton Graubünden gelegene Greina-Hochebene oder ein Areal am Aletsch im Wallis. Sie wurden von der Wasserkraftgewinnung ausgenommen; die betreffenden Regionen erhalten Ausgleichszahlungen dafür, dass sie auf den Bau von Kraftwerken verzichtet haben.
Ungeheurer Verlust
Nach Ansicht von Umweltschützern muss das auch unbedingt so so bleiben. Nicht nur ökologisch, auch touristisch und landschaftschaftlich sei es ein ungeheuerer Verlust , wenn etwa die auf rund 2200 Metern gelegene Greina-Hochebene für die Wasserkraft freigegeben würde: „Das ist ein einzigartiges Gebiet mit sich immer wieder neu windenden Wasserläufen, das dann verloren ginge“, meint Knütti.
Ab dem Jahr 2015 will Österreich keinen Atomstrom mehr nutzen. Darauf einigten sich am Freitag Regierung, Energiewirtschaft und Umweltschutzorganisationen bei einem Energiegipfel, wie die Österreichische Zeitung „Die Presse“ berichtet. „Wir wollen einen Herkunftsnachweis darüber, woher der Strom ist“, sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nach dem Treffen.
Österreich kaufe momentan rund 17,5 Prozent „Graustrom“ über internationale Börsen zu. Die Herkunft ist unbekannt.