Düsseldorf. In einem „Blauen Brief“ an die Bundesregierung mahnt Brüssel dringend zur Umsetzung der Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung. Die EU schreibt die Speicherung über sechs bis 24 Monate vor, Justiziministerin Leutheusser-Schnarrenberger lehnt das ab.

Die Bundesregierung gerät bei der Neuregelung der Datenspeicherung zur Kriminalitätsbekämpfung unter Druck. Brüssel hat nun einen „Blauen Brief“ nach Berlin geschickt. In dem Schreiben, das der WAZ vorliegt, kritisiert die EU-Kommission, dass „Deutschland seinen Verpflichtungen … nicht nachgekommen ist“.

Die Kommission verlangt eine Stellungnahme bis Mitte August und behält sich die Verhängung eines Bußgeldes wegen Vertragsverletzung vor. „Der Streit in der Bundesregierung um die Datenspeicherung ist ein Sicherheitsrisiko für die Opfer“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger der WAZ.

Innenminister wollen länger speichern

Hintergrund: Die EU verlangt die grundsätzliche Speicherung von Telekommunikationsdaten für sechs bis 24 Monate. Das fordern auch die Innenminister von Bund und Ländern. Jäger etwa setzt sich für die mindestens sechsmonatige Datenspeicherung aller Telefon und Internetdaten ein. Doch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt diese Forderung bislang ab.

SPD-Mann Jäger macht jetzt Druck: „Die Zeit drängt.“ Im Kampf gegen Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie Mord und Totschlag sei die Datenspeicherung unverzichtbar. Viele Straftaten könnten nur mit vorhandenen Telekommunikationsdaten aufgeklärt werden, erklärte Jäger. In 75 Prozent der Fälle erhalte die Polizei wegen der Rechtslücke keine Auskunft von Telekommunikationsanbietern. „Dadurch wurden 56 Prozent der Straftaten gar nicht, 18 Prozent nur unvollständig und 25 Prozent nur wesentlich erschwert aufgeklärt“, so Jäger. „Sicherheitsinteressen und Datenschutz müssen gleichermaßen berücksichtigt werden.“

Jäger (SPD) verweist auf konkrete Fälle

Jäger verwies auf konkrete Fälle: Bei einem Mord mit Mafia-Hintergrund gab es einen Tatverdacht gegen mehrere Personen, denen jedoch wegen fehlender Telefondaten vom Auffindungsort des Opfers keine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnte. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.

Auf mehreren Internetseiten wurden Kinderpornos zum Kauf angeboten. Die fehlende Speicherung der E-Mail- und IP-Adressen machte es unmöglich, die Tatverdächtigen zu bestrafen.