Berlin. .

Psst! Vertraulich!! Die FDP ging am Sonntag in Klausur. Den Ort in Berlin hält man geheim. Die Liberalen wollen ungestört in sich gehen. In Rekordzeit stürzten sie in eine Existenzkrise, und nun beginnt eine Woche der Wahrheit. Am Mittwoch legt der Finanzminister den Etatentwurf vor. Fällt dann auch die Vorentscheidung über Steuersenkungen, mithin über das Kernprojekt der FDP? Ihr Parteichef Philip Rösler sorgt sich, dass man den „richtigen Zeitpunkt“ verpassen könnte.

Schon am 23. Juni, vor fast zwei Wochen, ließ Kanzlerin Angela Merkel erklären, die Koalition wolle die unteren und mittleren Einkommen entlasten, freilich noch nicht zum 1. Januar 2012, wie Regierungssprecher Steffen Seibert klarstellte. Frühester Zeitpunkt: 1. Januar 2013. Diese Botschaft wurde gestern wieder verbreitet. Die FDP hatte sich mehr erhofft. Sie wollte am Mittwoch Klarheit darüber, welche Steuern in welcher Höhe gesenkt werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble hielt sie bislang hin. Erst im Herbst will er konkrete Pläne nachreichen. Hält er das durch oder muss Schäuble doch schon am Mittwoch „liefern“?

„Altlinke Fantasien“

Der FDP täte das gut. Die Partei ist ohnehin zerrissen. Gerade kritisierte sie SPD-Chef Sigmar Gabriel, weil er die Sockelrente forderte und Spitzenverdiener stärker besteuern will. „Altlinke Fantasien“, lästerte der junge FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Aus der Führung wurde aber am selben Wochenende für die Öffnung zur SPD geworben. Man dürfe sich „nicht einseitig auf die Union ausreichen“, sagte Vizechefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und verwies auf Gemeinsamkeiten mit der SPD in der Verteidigungs- und Außenpolitik. Die CSU reagierte irritiert, und die SPD zeigte ihr die kalte Schulter. Aus der Sicht der Sozialdemokraten bringt die FDP zu wenig Gewicht auf die Waage, um mit ihr zusammen 2013 eine Regierung zu bilden.

Die FDP ist auf die Union angewiesen und somit auf ein Bündnis, in dem Misstrauen herrscht. Es gebe „keinen Grundton des Wohlwollens, sondern ein Mangel an Vertrauen“, räumte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) im „Tagesspiegel“ ein. Die Reizfigur ist Finanzminister Wolfgang Schäuble. Rösler will sich mit ihm nur noch mit Zeugen treffen, seit der CDU-Mann aus einem Vier-Augen-Gespräch erzählte.

Schäuble „machte eine Szene“

Es gibt eine Absprache auf Ebene der Parteichefs, dass die Koalition zum Wahljahr 2013 die Steuern senken soll. Doch die CSU und auch Schäuble spielen auf Zeit. Ursprünglich wollte die FDP in dieser Woche auf eine Festlegung pochen. Dann kam der Finanzminister „und machte der Kanzlerin eine Szene“, so heißt es bei der FDP.

Dass Schäuble am liebsten den Herbst abwarten würde, hat nicht nur mit der Steuerschätzung, sondern auch mit der Rettung des Euro zu tun. Die steht ebenfalls im Herbst an und die wachsende Zahl der Kritiker wird ausgerechnet von einem FDP-Abgeordneten angeführt: Frank Schäffler.