Mit dem heutigen Freitag ist die Wehrpflicht in Deutschland Geschichte. 54 Jahre lang prägte sie eine Lebensphase vieler Menschen. Redakteure erinnern sich an ihre ganz persönlichen Erfahrungen. Und wir laden Leser ein, ihre Geschichten zu erzählen.
Mit dem heutigen Tag ist die Wehrpflicht in Deutschland Geschichte. 54 Jahre lang prägte sie eine Lebensphase vieler Menschen in Deutschland. Sei es, dass man verweigert oder den Dienst an der Waffe mehr oder minder gehorsam absolviert hat. Wer ganz viel Glück oder – je nachdem – Pech hatte, wurde ausgemustert.
Ganz gleich: Geschichten zu diesem Thema hat wohl jeder Mann beizusteuern. Viele Frauen natürlich auch. Schließlich bekamen sie genug davon zu hören. Hier erzählen WAZ-Redakteure von ihren Erfahrungen. Aber Ihre, liebe Leserinnen und Leser, wollen wir auch.
Der Zivi
Der Sohn einer Arbeitskollegin meiner Mutter sollte die Blaupause liefern. Die Ursuppe aller Schreiben, das durch die Hände vieler heranwachsender Männer gegangen ist. Es zählte eine Auswahl von Gründen auf, warum der Unterzeichner kein Gewehr in die Hand nehmen konnte. In ein wenig abgewandelter Form verfasst, war es mein Einstieg in die Zivi-Zeit. Im Krankenhaus, dachte ich, würde ich mehr fürs Leben lernen, als im Manöver. Stimmte auch. Außerdem war es angenehmer, in den Mittagspausen mit den Schwesternschülerinnen zu plauschen, als sich von einem Feldwebel durch die Heide jagen zu lassen. Diese schönen Erfahrungen hat mir das Verweigerungsschreiben ermöglicht. Auch ich würde es gern weitergeben, aber jetzt wird es ja nicht mehr gebraucht. Gregor Boldt
Der Ausgemusterte
Es war das Jahr 1980, der Jahrgang 1962 musste zur Musterung antreten. Im Kreiswehrersatzamt von Wesel warteten Ärzte mit gelangweilten Gesichtern. Ausziehen, abhorchen und die erste Anweisung: „Machen Sie mal ein paar Kniebeugen!“ Antwort: „Kann ich nicht!“ Fassungsloses Schweigen. „Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?“ Die naheliegende Antwort „Kann ich auch nicht“ fiel mir damals leider nicht ein, also die Wahrheit. „Ich hatte einen Kreuzbandriss im linken Knie, ich kann das Knie nicht belasten, dann wird es dick.“ Nun gut, es war die halbe Wahrheit: Der Kreuzbandriss war Tatsache, die Sache mit dem Dickwerden nicht. Doch es reichte, im Jahrgang 1962 gab es genug Taugliche, auf meinem Bogen stand: „T 5“, ausgemustert. Für immer. Sehr gute Entscheidung! Ralf Birkhan
Der Wehrpflichtige
Sanitätsbataillon Leer, Ostfriesland. Rings um die Kaserne nur Gegend. Wieso musste ich ausgerechnet hier landen? 15 Monate – verlorene Zeit. Marschieren, Flur bohnern, Wache schieben. Kameradschaft? Ein Soldatenmythos. Neue wurden von den Älteren drangsaliert, und für Abiturienten hatten die Unteroffiziere so gar nichts übrig. Wir trugen ein Maßband an der Schulterklappe, für jeden Tag schnitten wir einen Zentimeter ab. Dann kam die Schneekatastrophe im Winter 1978, und ausgerechnet das waren die sinnvollsten Tage. Mit Unimogs und kleinen Transportpanzern holten wir auf den Landstraßen die Leute aus ihren eingeschneiten Autos. Manche hatten schon eine Nacht so verbracht. Und plötzlich drückte mir jemand ein Baby in den Arm. Christopher Onkelbach
Die Zuhörerin
Und wer musste all diese kaputten Typen am Wochenende ertragen? Die Schwestern, Freundinnen und Mütter. Wie haben sie gelitten, die harten Kerle, weil die Epa-Kekse zu trocken, die Unteroffiziere zu blöd und die Marschrouten mit Sturmgepäck zu hart waren. Bis zum Hals im Sand eingegraben wurden sie zur Tarnung am nordfriesischen Strand; kilometerweit ins Watt mussten sie laufen, mit der tödlichen Flut auf den Fersen. Sie saßen hungernd im Bau, der Freigang wurde immer wieder gestrichen, und der größte Feind war, neben dem besagten Unteroffizier (s. nebenstehenden Text) der Heimschläfer, der es sich in seinem Kinderzimmer gemütlich machen konnte, während der echte Soldat die Stube fegte, Betten glatt strich und unter Kommando-Gebrüll die Spinde aufräumte. Birgitta Stauber-Klein
Es war für viele eine prägende Zeit. Wehrdienst und Zivildienst haben für Generationen von Männern und auch Frauen für Gesprächsstoff gesorgt. Geschichten und Anekdoten von Nachtmärschen, Schikanen, aber auch von Kameradschaft und vom ersten Umgang mit Vorgesetzten und Verantwortung. Selbst wer ausgemustert wurde, hatte Berichte zu bieten, die zur Legendenbildung taugten. Wir wollen sie alle lesen. Schicken Sie Ihre Erlebnisse aus dieser Zeit, gern auch mit Fotos, unter dem Stichwort „Wehrdienst“ an
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