Ein denkwürdiger Besuch des chinesischen Premiers Wen Jiabao in Deutschland ist beendet. Denkwürdig deshalb, weil beide Seiten in der Geschichte ihrer Beziehungen noch nie so viele Gemeinsamkeiten demonstriert haben. Diese Nähe ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Sie stellt Wirtschaftsinteressen in den Vordergrund und blendet bewusst die Realitäten Chinas aus. Die KP-Führung überzieht das Land mit Intoleranz und Unduldsamkeit gegen alle, die gegen die verordnete Harmonie verstoßen. Kritiker, Künstler verschwinden spurlos, Anwälte werden unter Druck gesetzt.

Denn die KP ist geschüttelt vor Angst, dass „feindliche Kräfte“ sie stürzen könnten. Die Repression dürfte noch schlimmer werden. Die Medien und Parteimitglieder wurden inzwischen angewiesen, Zensur und Spitzelwesen zu verstärken. Für all das sind der freundliche Herr Wen und viele seiner Minister mitverantwortlich. Sie repräsentieren eine Partei, die längst die Charakterzüge einer Mafia angenommen hat: geheimniskrämerisch und intolerant.

Die Bundesregierung begründet ihre freundliche Haltung mit dem neuen Status Chinas als „Aufsteiger der letzten beiden Jahrzehnte“, wie Außenminister Westerwelle erklärte. Wen bedankte sich mit der Ankündigung, das Handelsvolumen mit Deutschland bis 2016 zu verdoppeln. Das hört sich an wie ein Geschenk -- ist es aber nicht. Mehr Handel zu treiben liegt im Interesse Chinas.

Es ist vernünftig, mit China so gut wie möglich zusammenzuarbeiten, Zukunftsforschung zu fördern, Studenten und Wissenschaftler auszutauschen, Debatten zu führen. Aber was in Berlin geschah, war rein symbolische Politik. Es ging darum, Verbundenheit zu demonstrieren, den Besuchern Gesicht zu geben. Deshalb ist der große Bahnhof für Chinas Regierung derzeit das falsche Signal. Die KP-Führung versteht ihn als Freibrief.