Essen. Wird der Bundestag vom Papst missbraucht? Das jedenfalls behauptet SPD-Politiker Rolf Schwanitz in einem Brief. Er fordert seine Fraktionskollegen dazu auf, der Ansprache fernzubleiben. Doch sein Appell stößt allgemein auf Unverständnis.

Die Rede ist noch gar nicht gehalten, doch sie sorgt schon für Streit. Es geht um die Ansprache, die Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschland-Besuch am 22. September vor dem Bundestag halten wird. Bundestagspräsident Lammert hatte ihn dazu eingeladen. Doch der SPD-Politiker Rolf Schwanitz fordert jetzt in einem Brief seine Fraktionskollegen dazu auf, der Ansprache fernzubleiben.

Die Rede sei mit dem „Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates unvereinbar“, heißt es in seinem Text. Der Bundestag werde als „schmückendes Beiwerk und als medialer Verstärker für die theologische Rede“ des Papstes „missbraucht“. Der Bundestag sei kein „Ort der religiösen Missionierung“. Und weiter schreibt Schwanitz, mit dem Papst trete zum ersten Mal ein Gast ans Rednerpult, „der die Mehrheit der Deutschen für verdammungswürdig hält“. Denn nach den Glaubenssätzen der katholischen Kirche seien all jene Menschen davon betroffen, „die diesem Glauben wissentlich nicht folgen wollen“. Sie würden vom Papst „stigmatisiert“. Außerdem trage der Papst „erhebliche Verantwortung“ an der Ausbreitung „Aids-Epidemie“, und „an der Unterdrückung, Ausbeutung und Stigmatisierung von Millionen Menschen“.

„Hoffentlich äußert er sich auch zum Thema Missbrauch“

Kerstin Griese, die Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Kirche und Religionsgemeinschaften, findet die Formulierung des Briefes „unglücklich“. Und sie widerspricht dem Eindruck, hinter ihm stünde die gesamte Fraktion. „Das ist falsch“, sagte sie der WAZ. Und: Der Papst sei vom Bundestag eingeladen worden und daher finde sie es gut, ihm zuzuhören, so Kerstin Griese. Dies gelte unabhängig davon, dass man Kritik an Positionen des Papstes haben könne und auch äußere. „Ich werde mir die Rede anhören, weil ich mich dem Dialog nicht entziehen möchte“, sagte die Abgeordnete aus Velbert. Sie erwarte von Benedikt, dass er sich auch zum Missbrauch in der Kirche redet. „Als Mitglied der evangelischen Kirche habe ich zudem die Hoffnung, dass er sich zur Ökumene äußert.“

Auch der Linken-Politiker Bodo Ramelow will sich die Rede von Benedikt XVI. anhören. „Ich werde anwesend sein und mit Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime und Walter Homolka von den liberalen Juden der Rede lauschen“, sagte Ramelow der WAZ. Beide seien Gäste, die die Linken-Bundestagsfraktion zu diesem Anlass eingeladen habe. „Es ist klar: Das ist kein Gottesdienst, sondern eine Rede in einem weltlichen Parlament und er wird sich zu weltlichen Themen äußern.“ Benedikt sei vom Bundestag eingeladen worden, „und dieser Einladung hat niemand widersprochen“, daran erinnert der Fraktionschef der Linken im Thüringer Landtag. Man solle diesem Staatsgast die Höflichkeit erweisen, die man auch anderen Staatsgästen entgegenbringt. „Wenn Abgeordnete meiner Partei das nicht aushalten, sollen sie nicht hingehen.“ Den Brief des Abgeordneten Schwanitz allerdings betrachtet Ramelow nicht als Boykott-Aufruf, sondern als dessen Meinungsäußerung.

Protestant Ramelow: Audienz beim Papst war spannend

Der Protestant will jedoch nicht der Einladung zum Gottesdienst in Erfurt folgen, der nächsten Station des Papstes bei seinem Besuch im September. „Ich will mich nicht öffentlich dabei filmen lassen, wie ich einen Gottesdienst besuche“, begründet er das. Er könne aber Katholiken verstehen, die dem Papst dabei nahezukommen versuchen. „Ich war zur Audienz beim Papst“, so der Protestant, „und ich fand das spannend -- wenn es auch nicht meine Welt ist.“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat ebenfalls keine Einwände gegen die Rede. „Der Papst ist ja auch Staatsoberhaupt“, sagte er der WAZ. „Das entspricht zwar nicht unserem Kirchenbild, aber als Staatsoberhaupt hat er das Recht, im Bundestag zu sprechen.“

Die Deutsche Bischofskonferenz reagierte gelassen auf Schwanitz „Wir gehen davon aus, dass es eine Meinung ohne Mehrheit ist.“