Berlin.. Moscheen und Islamvereine sollen der Radikalisierung junger Muslime entgegentreten, fordert Bundesinnenminister Friedrich. Der Zentralrat der Muslime machte dagegen klar, dass von Moscheen keine Gefahr ausgehe. Vor Ort indes passiert schon viel.
Muslime sollen helfen, Extremisten auf die Spur zu kommen. „Der Radikalisierung und dem Missbrauch der Religion wollen wir gemeinsam entgegentreten“, erklärte Innenminister Hans-Peter Friedrich am Freitag nach einem „Präventionsgipfel“ in Berlin. Familien mit radikalisierten Kindern könnten sich etwa an das Bundesamt für Migration wenden. Dort gebe es eine Clearing-Stelle für solche Fälle.
Der CSU-Politiker versicherte, es gehe nicht um eine „Kultur der Denunziation“, sondern um ein gemeinsames Vorgehen gegen gewaltbereite Gruppen oder Einzelpersonen. Sie seien Opfer von Leuten geworden, die sie „mit falschen Lehren auf den falschen Weg“ brächten.
Der Zentralrat der Muslime machte klar, dass von den Moscheen keine Gefahr ausgehe. Ratsvorsitzender Aiman Mazyek erinnerte daran, dass man bereits seit 2005 mit dem Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz zusammenarbeite. Aber: Die Integration von Muslimen müsse stärker in den Fokus rücken.
„Muslime unter Generalverdacht“
Der Kriminologe Christian Pfeiffer wird konkreter. „Es sind Bildungspolitiker, die entscheiden, wie radikal junge gesellschaftliche Außenseiter werden“, sagte er im WDR. Integration scheitere in erster Linie daran, dass junge Migranten oft durch bindende Schullaufbahnempfehlungen in der Hauptschule und damit in einer „Verliererschule“ landeten.
Die SPD warf Friedrich vor, Muslime unter Generalverdacht zu stellen: „Wenn wir gewaltbereite Extremisten isolieren wollen, müssen wir die gemäßigten Muslime stärken und in Deutschland willkommen heißen“, so Fraktionsmanager Thomas Oppermann. Der Islam gehöre zu Deutschland. Dies habe Friedrich noch nicht erkannt.
Der Innenminister wehrte sich, „die Bevölkerung muss bei allen Formen von Radikalisierung einfach wacher werden.“ Er strebt eine stärkere Vernetzung von Bund, Ländern, Polizei und Islam-Vereinen über die bestehenden Projekte hinaus.
Vor Ort passiert schon viel
Indes, vor Ort passiert schon viel: In Berlin, in Hamburg, gerade auch in NRW. Die Polizei hat für jede Moschee einen Ansprechpartner, und es gibt seit 2005 eine Vielzahl von Kontakten. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, nennt es die „AG Vertrauen“ und zählt dazu nicht zuletzt Runde Tische in Essen, Duisburg und Gelsenkirchen.
Schnelle Erfolge sind nicht drin. Kleine Schritte müsse man gehen, „das braucht viel Zeit“, so der Düsseldorfer Experte Dirk Sauerborn, Kontaktbeamter für interkulturelle Angelegenheiten im Polizeipräsidium. „Anfangs“, erinnert er sich, hätten viele Muslim-Verbände die Polizei als „Spitzel“ wahrgenommen, sich einem „Generalverdacht“ ausgesetzt gesehen. Aber inzwischen sei „echtes Vertrauen“ gewachsen. Ein „tieferes Verständnis“ um die Lebenswirklichkeit junger Muslime, die „ihren Platz in ihrer Religion erst noch suchen“, habe zu einer tragfähigen Zusammenarbeit geführt.
Imame werden zu Verbündeten
Azis Ejjar und Wolfgang Stoppel haben daran Anteil. Die beiden Sozialpädagogen bei der Arbeiterwohlfahrt in der Landeshauptstadt koordinieren in Sprechstunden, E-Mail-Beratungen oder in Informationsveranstaltungen in Jugendklubs die vielfältigen Bestrebungen, junge Muslime bei ihrer „Identitätsfindung zu unterstützen und nicht zuerst zu verdächtigen“. Ihre Erfahrung: Imame, die religiösen Autoritäten in den Moscheegemeinden, würden zunehmend zu „natürlichen Verbündeten“ in der Auseinandersetzung mit „islamisierten Ideologen oder ideologisierten Muslimen“.
Es gibt gute Ansätze. Beispiel Hamburg. „Verstehen-Verbünden-Vorbeugen“. So nennt das Landeskriminalamt in der Hansestadt ein Projekt, wie es sich Minister Friedrich kaum besser vorstellen kann. Seit den Terror-Anschlägen von London 2005 basteln die Beamten an der Alster an einem lokalen Netzwerk, in dem Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Sozialbehörden und Sportklubs mit Moscheegemeinden und islamischen Kulturvereinen zusammenarbeiten. Ziel: gemeinsam zu verhindern, dass junge Muslime plötzlich vom gesellschaftlichen Radarschirm verschwinden, radikalen Predigern in der Moschee oder im Internet in die Hände fallen. „Smart-Approach“ nennen die Hanseaten ihren Ansatz - intelligente Vorgehensweise.
In Köln führte das Bundesamt für Verfassungsschutz das ein, was sich der Zentralrats-Mann Mayzek seit Jahren wünscht: Ein Aussteigerprogramm. Von dem vielen Geld für den Anti-Terror-Kampf könne mehr für die Bildung ausgeben, etwa für eine bessere Schulung der Imane.