Stuttgart.. Nach der jüngsten Eskalation der Proteste gegen „Stuttgart 21“ schieben sich Projektgegner und -befürworter gegenseitig die Schuld zu. Ermittlungen wurden aufgenommen. Die acht verletzten Polizisten wurden aus dem Krankenhaus entlassen.

Die Auseinandersetzung um das umstrittene Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ ist erneut eskaliert. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart nahm am Dienstag Ermittlungen gegen Unbekannt wegen des Verdachts des versuchten Totschlags auf, nachdem ein Polizeibeamter am Montagabend bei gewaltsamen Protesten schwer verletzt worden war. Projektgegner wiesen die Vorwürfe zurück.

Nach einer Demonstration am Montagabend hatten laut Polizei mehrere hundert Menschen einen Bauzaun niedergerissen und eine Baustelle gestürmt. Neun Polizisten wurden demnach bei den Auseinandersetzungen verletzt. Ein 42-jähriger Zivilbeamter sei zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Der Beamte seien nach den bisherigen Ermittlungen schwer am Kopf verletzt worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Zudem sei versucht worden, ihm die Dienstwaffe zu entreißen. Bei den Protesten entstand der Sprecherin zufolge zudem ein Sachschaden von mehr als einer Million Euro.

Acht der verletzten Polizisten sind mittlerweile wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Vier von ihnen blieben jedoch zunächst dienstunfähig, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Die Beamten hätten durch die Detonation eines Sprengkörpers Knalltraumata erlitten. Zudem war ein Zivilpolizist den Angaben zufolge von mehreren Unbekannten mit Schlägen und Tritten an Gesicht und Kopf verletzt worden. Wann der Beamte wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden kann, konnte der Sprecher allerdings nicht sagen.

Vorwurf zurückgewiesen

Die Projektgegner wiesen insbesondere den Vorwurf zurück, dass ein Beamter schwer verletzt worden sei. Dies sei falsch, sagte der Sprecher der „Parkschützer“, Matthias von Herrmann. Die Polizei scheine „Fantasien zu verbreiten.“ Der Beamte sei vielmehr provokant aufgetreten und danach aus der Baustelle gebracht worden. Von Herrmann räumte lediglich ein, dass er dabei wohl auch zu Boden gegangen sei.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rief die Projektgegner eindringlich zu friedlichen Protesten auf. „Gewalt ist in jeglicher Form - egal, ob gegen Menschen oder Sachen - unmissverständlich zu verurteilen und wird von der Landesregierung nicht toleriert“, erklärte Kretschmann. Nur im Rahmen „einer sachlichen und gewaltfreien Auseinandersetzung“ könne es zu einer Lösung des Konflikts kommen.

Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) erklärte, es sei „erschreckend und nicht hinzunehmen, dass ein 42-jähriger Polizeibeamter von Störern zusammengeschlagen und erheblich verletzt wurde.“

Gewalt? Abgelehnt.

Auch das Aktionsbündnis gegen „Stuttgart 21“ distanzierte sich von gewaltsamen Protesten. „Wir haben Gewalt immer abgelehnt, noch nie zu Gewalt aufgerufen und werden es auch in Zukunft nicht tun - das Zünden von Böllern, das Umstoßen von Zäunen und das Umherwerfen von Baumaterial lehnen wir ab“, erklärte die Sprecherin des Aktionsbündnisses, Brigitte Dahlbender.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) will derweil vor Gericht einen sofortigen Baustopp erreichen. Der Landesverband Baden-Württemberg beantragte dazu beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine einstweilige Anordnung gegen das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ein. Damit solle das Bundesamt verpflichtet werden, der Deutschen Bahn anzuordnen, alle weiteren Baumaßnahmen „mit sofortiger Wirkung zu untersagen“, erklärte Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. Dieser Baustopp müsse solange gelten, bis in einem neuen Planfestellungsverfahren über die Anträge der Deutschen Bahn auf erhöhte Grundwasserförderung und -entnahme rechtswirksam entschieden werde.

Bei dem heftig umstrittenen Projekt „Stuttgart 21“ soll der Sackbahnhof der Landeshauptstadt in eine unterirdische Durchgangsstation mit kilometerlangen Tunnelstrecken umgebaut werden. (afp)