Paris..

Deutschland steigt aus der Kernenergie aus, und Frankreich reibt sich verwundert die Augen. Seit langem haftet den deutschen Nachbarn auf dieser Rheinseite ein grünes Image an. Dass ausgerechnet die von Angela Merkel geführte konservativ-liberale Regierung nun diesen radikalen Schnitt machen würde, empfinden sie allerdings als sensationell.

Die meisten Tageszeitungen berichten in großer Aufmachung über die „Causa Deutschland“. „Die Kehrtwende bei der zivilen Nutzung der Atomenergie ist spektakulär und den bisherigen Wahlerfolgen der Grünen geschuldet“, schreibt der Kommentator des regierungsnahen „Figaro“, und fügt hinzu: „Diese politische Weichenstellung wirkt sich auf ganz Europa aus.“

Atomenergie als Exportschlager

Auch die Zeitung „Le Monde“ zeigt sich von der Berliner Entscheidung überrascht. Nicht einmal das von der Nuklearkatastrophe heimgesuchte Japan habe derart weitgehende Konsequenzen gezogen.

Nirgendwo treten die Unterschiede zwischen den beiden größten europäischen Industrienationen so krass zu Tage wie in der Haltung zur Nuklearenergie. Frankreich, das seine Energie fast zu 80 Prozent aus seinen Atomkraftwerken gewinnt, begreift die Nuklearsparte sogar als wichtigen Exportschlager. Das Bekenntnis zur Atomenergie gleicht in Frankreich einer Staatsdoktrin. Doch beflügelt vom deutschen Atom-Nein könnten die französischen Grünen nun diesen Konsens aufbrechen.

Forderung der Grünen

Parteichefin Cécile Duflot machte gegenüber dem Radiosender „France Inter“ deutlich, dass ein Regierungsbündnis mit den Sozialisten nur möglich sei, wenn diese der Atomenergie ebenfalls abschwörten. Die „Parti Socialiste“ zeigt sich bereits gespalten. Während Parteichefin Martine Aubry ihre Sympathie für Merkel bekundet, setzt ihr parteiinterner Widersacher François Hollande weiterhin aufs Atom.