Berlin/Emsdetten. . In der Atomdebatte ist SPD-Frau Hannelore Kraft sich ausgerechnet mit der FDP einig. Die NRW-Ministerpräsidentin warnt vor einem „Hauruck“-Ausstieg aus der Atomenergie. Die Versorgungssicherheit und die Preise müssten berücksichtigt werden.

Die „Woche der Wahrheit“ über den Atomausstieg bringt neue Allianzen hervor: Die FDP und die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft, mahnten am Wochenende „Realismus“ an und warnten vor übereilten Beschlüssen.

Der Interessenkonflikt in der Energiepolitik zwischen SPD und Grünen strahlt zunehmend auf NRW ab. Die Grünen forderten auf ihrem Landesparteitag in Emsdetten einen „Atomausstieg ohne Tricks und Hintertüren“. Spätestens 2017 soll Schluss sein mit der Kernkraft.

Brennelementesteuer bleibt

Kraft hält so viel Eile für riskant. Die Gefahr sei groß, dass Fehler gemacht würden: „Entscheidend ist doch nicht, ob wir den Atomausstieg ein oder zwei Jahre früher oder später hinbekommen. Entscheidend ist, dass wir ihn gut gestalten und die Versorgungssicherheit und Preise berücksichtigen.“

Die umstrittene Brennelementesteuer soll trotz Atomausstiegs erhalten bleiben. Drauf haben sich Union und FDP am Sonntagabend in Berlin bei einem Treffen des Koalitionsausschusses geeinigt, wie die Nachrichtenagentur dapd aus Koalitionskreisen erfuhr.

Umwelt- und Energieexperten der Koalition wollen zudem nach Angaben aus Koalitionskreisen die Solarförderung weiter beschneiden. Die Arbeitsgruppe Energie- und Umwelt habe sich für stärkere Kürzungen als von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) geplant ausgesprochen, sagten Koalitionspolitiker vor dem Spitzengespräch zur Energiewende am Sonntagabend der Nachrichtenagentur Reuters.

Das Votum zerreißt die Koalition in Berlin

Am Samstag hatten bundesweit mehr als hunderttausend Menschen für den schnellen Atomausstieg demonstriert, in Nordrhein-Westfalen unter an­derem in Essen, Bonn und Münster. Gleichzeitig sickerte durch, was die von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingesetzte Ethik-Kommission vorschlagen will: Ausstieg bis zum Jahr 2021. Das Votum zerreißt die Koalition in Berlin. Die CSU hält die Zehn-Jahres-Frist für realistisch und will es in Bayern vormachen. Dagegen machte FDP-Chef Philipp Rösler klar, man werde sich nicht an einem „Bieterwettbewerb“ über ein Ausstiegsdatum beteiligen. Mehr zeitliche Flexibilität wäre den Liberalen lieber, etwa in Form eines Zeitkorridors.

Von einer Energiewende im „Hauruck-Verfahren“ hält auch Sozialdemokratin Kraft nichts. Sie denkt an die energieintensiven Branchen an Rhein und Ruhr: Aluminium, Stahl, Papier, Glas – und an die Steinkohle. Grundsätzlich sei sie „offen für weitere fossile Kraftwerke“.

Ihr grüner Koalitionspartner lehnt über die im Bau befindlichen sechs Kohlekraftwerke in NRW hinaus weitere Anlagen ab. Ihre Alternative: erneuerbare Energien, mehr Kraft-Wärme-Kopplung sowie sieben neue Gaskraftwerke bauen. „Kohlekraftwerke sind nicht überlebensfähig“, erklärte Landeschefin Monika Düker. (mit dapd und rtr)