Essen/Düsseldorf. . Der Vorschlag von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, auch Nicht-Mitglieder über den Kanzlerkandidaten und Mandatsbewerber der Partei abstimmen zu lassen, stößt in der NRW-SPD auf Ablehnung.
Die SPD-Basis in NRW ist verärgert über ihre Berliner Parteispitze. Pläne der SPD-Führung, künftig auch Nichtmitglieder über den Kanzlerkandidaten oder Bewerber um Abgeordneten-Mandate abstimmen zu lassen, stoßen in den Unterbezirken auf einhelligen Widerstand. „Dagegen werden wir mobil machen“, sagte die stellvertretende Dortmunder SPD-Chefin Nadja Lüders der WAZ, „noch sind wir in NRW der größte Landesverband.“
Lüders nannte es „undenkbar“, eine schlagkräftige und motivierte Parteiorganisation aufzubauen, wenn man gleichzeitig Nichtmitglieder an wichtigen Fragen beteilige. Auch Sören Link, SPD-Vorstandsmitglied in Duisburg, lehnte den Vorstoß von Generalsekretärin Andrea Nahles ab. Mit der Mitgliedschaft erwerbe man „gewisse Rechte“, so Link. Er fügte hinzu: „Wir sollten uns als Sozialdemokraten besser um die wichtigen Dinge kümmern.“
Spitze versucht die Basis zu beruhigen
Laut Nahles sollen Kandidaten für ein Mandat – auch für das Kanzleramt – künftig im Regelfall in Urwahlen bestimmt werden, die auch für Bürger ohne Parteibuch offen seien. Um eine Mehrheit werde sie mit SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Bundesparteitag im Dezember kämpfen.
Während eine breitere Mitgliederbeteiligung auch in der NRW-SPD unterstützt wird, lehnten die von der WAZ Befragten eine Öffnung für die Kandidatenwahl zu großen Teilen ab. „Damit würde das Parteiensystem ad absurdum geführt“, kritisierte Reiner Schmeltzer, Fraktionsvize im Landtag. Auch der Bochumer SPD-Chef Thomas Eiskirch ging auf Distanz. „So etwas brauchen wir nicht.“
„Falsches Signal“
Britta Altenkamp, Vorsitzende der SPD-Niederrhein, sprach von einem „falschen Signal“ an all jene, die für die SPD aktiv seien. „Welchen Sinn macht es da noch, SPD-Mitglied zu werden und Beiträge zu zahlen?“ so die Essenerin. Hans-Willi Körfges, jahrelang Parteichef in Mönchengladbach, fürchtet, dass die SPD durch die geplante Öffnung „unattraktiver“ werde. „Mitgliedschaft muss auch einen ideellen Mehrwert haben“, sagte er. Andrea Nahles versuchte die Sorgen der Basis zu zerstreuen, in dem sie versicherte, dass die SPD eine Mitgliederpartei bleiben und die Öffnung Grenzen haben werde. Nichtmitglieder müssten sich bei Wahlen registrieren lassen, persönlich abstimmen und auch an den Kosten der Abstimmung beteiligen.
Dennoch fühlt sich Rainer Nechanitzky, Ortsvereinsvorsitzender in Recklinghausen-Hochlarmark übergangen: „Diesen Vorschlag hätte man vorher auf Kreisebene diskutieren müssen.“ So erhalte die Basis den Eindruck, dass die Parteiführung ihr etwas von oben aufdrücken wolle.
Beifall von den Jusos für Reform-Vorschläge
„Die Entscheidungen über die Parteireform werden erst nach der Sommerpause getroffen und im Winter auf dem Parteitag beschlossen“, versuchte auch der Generalsekretär der NRW-SPD, Michael Groschek, zu beruhigen. „Wir wissen aus vielen Gesprächen, dass es – neben der notwendigen Öffnung der Partei – vor allem wichtig ist, die Mitgliedspartei SPD zu stärken und möglichst viele unserer Mitglieder an allen Entscheidungen teilhaben zu lassen.“
Dem Nahles-Vorschlag etwas abgewinnen kann Rainer Sommer, Vorsitzender des Ortsvereins Hattingen-Blankenstein: „Es spricht nichts dagegen, sich so der Partei zu öffnen. Wir brauchen dringend Leute.“ 1976 hatte die SPD über eine Million Mitglieder, 2010 waren es nur noch 502 000 Genossen.
Möglichkeit Partei zu vitalisieren
Auf einem Jusokongress in Berlin hatte Andrea Nahles am vergangenen Freitag bereits Applaus für ihre Vorschläge für die Parteireform geerntet. Neben der Öffnung für Nicht-Parteimitglieder ist auch geplant, die Basis bei Sachentscheidungen abstimmen zu lassen und die Arbeit der Ortsvereine stärker durch die Kreis- und Landesverbände zu unterstützen.
Parteienforscher Prof. Karl-Rudolf Korte sieht den Nahles-Vorstoß „in der langen Tradition der Vorschläge, die SPD zu öffnen.“ Bisher seien diese jedoch immer punktuell erfolgt, hätten konzeptlos gewirkt und seien schnell verpufft. Dennoch sieht Korte in der Öffnung für Nichtmitglieder eine Möglichkeit, die Parteien zu vitalisieren. „Die Partei ist die modernste Form der Willensbildung. Je mehr mitmachen, desto besser.“