Kamenz. . Im Büro von Henrik Hahn wartet eine Carrera-Bahn auf ihren Einsatz. Der Ge­schäftsführer der Evonik Litarion GmbH im sächsischen Kamenz bekam das Spielzeug von seinen damaligen Kollegen geschenkt, bevor er vor vier Jahren in den äußersten Osten Deutschlands ging. Hier Die 17 000-Einwohner-Stadt soll zu einer der ersten Adressen für Lithium-Ionen-Batterien, den Herzstücken für Elektroautos, in Europa werden.

Im Büro von Henrik Hahn wartet eine Carrera-Bahn auf ihren Einsatz – noch originalverpackt. Der Ge­schäftsführer der Evonik Litarion GmbH im sächsischen Kamenz bekam das Spielzeug von seinen damaligen Kollegen geschenkt, bevor er vor vier Jahren in den äußersten Osten Deutschlands ging. Die 17 000-Einwohner-Stadt an der Grenze zu Polen und Tschechien soll zu einer der ersten Adressen für Lithium-Ionen-Batterien, den Herzstücken für Elektroautos, in Europa werden. Hahn gab sich damals selbst ein Versprechen: Wenn der Standort be­reit ist für die Serienproduktion, baut er die Carrera-Bahn zur Belohnung erstmals auf. Jetzt kündigt der Litarion-Chef an: „Im Sommer ist es so weit.“

Glaubt man den Experten, steht die Automobilindustrie angesichts des sich wandelnden Umwelt-Bewusstseins vor ei­nem tiefgreifenden Wandel. Einer Studie des CAR-Centers Automotive Research der Universität Duisburg-Essen zufolge werden im Jahr 2025 weltweit knapp zwei Drittel der dann verkauften Pkw einen Elektroantrieb haben, als Hybride mit Kraftstoff-Elektro-Mix oder als vollelektrische Fahrzeuge. Eine Studie des Maschinenbauverbands VDMA und der Strategieberatung Roland Berger sieht 2025 einen Marktanteil von 40 Prozent der Neuzulassungen für Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge. CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer verheißt der Au­toindustrie einen Markt für Lithium-Ionen-Batterien in einer Größenordnung von 77 Milliarden Euro.

Auf diesen Trend setzen der Essener Chemiekonzern Evonik und der Stuttgarter Autobauer Daimler. Die beiden Konzerne machen in der Lessingstadt Kamenz an einem Standort gemeinsam einen unternehmerischen Dreisprung: Litarion, eine 100-Prozent-Tochter von Evonik stellt dort Komponenten wie Elektroden und Separatoren für Batteriezellen her. Die Li-Tec Battery GmbH, die zu 50,1 Prozent Evonik und zu 49,9 Prozent Daimler gehört, setzt die Komponenten zu einer Batteriezelle zusammen. Und die Deutsche Accumotive GmbH & Co. KG, an der Daimler 90 Prozent hält und Evonik den Rest, fertigt aus den einzelnen Zellen dann eine komplette Batterie. Diese Akkus sollen in den Elektro-Smarts zum Einsatz kommen, mit denen Daimler vom kommenden Jahr an in Serie geht.

Um den Sprung von der Manufaktur zum Serienproduzenten von Batterien zu schaffen, hat Evonik in Kamenz rund 150 Millionen Euro an Investitionen mobil gemacht. Die Produktionskapazität soll nun von derzeit 300 000 Zellen verzehnfacht werden – und ab 2013 bei drei Millionen Zellen jährlich liegen. Die Mitarbeiter-Zahl von aktuell 350 soll in den nächsten zwölf Monaten noch einmal um mehr als 100 aufgestockt werden. „Evonik hat kräftig investiert, aufgebaut und ausgebaut“, betont Konzernchef Klaus Engel. „Zur Strategie kommen jetzt Se­rienproduktion und steigende Stückzahlen. Das sind greifbare Erfolge unserer Anstrengungen.“

Feld nicht Herstellern
aus Asien überlassen

Das Engagement zeigt: Evonik und Daimler wollen den Herstellern aus Asien das Feld der Batterien als Schlüsseltechnologie der Elektromobilität nicht überlassen. Hier sei das Rennen noch völlig offen, meint Hahn. „Der technische Standard bei uns ist sehr hoch“, gibt sich der Litarion-Geschäftsführer selbstbewusst. Die Batterien aus Ka­menz zeichneten sich etwa aus durch eine hohe Zyklenstabilität. Das heißt, sie lassen sich bis zu rund 4500-mal laden, bevor ihre Kapazität auf unter 80 Prozent der ursprünglichen Leistung fällt und sie ausgetauscht werden müssen. Zum Vergleich: Bei einem Handy-Akku ist es bereits nach etwa 500 Ladezyklen so weit.

Kern der in Sachsen gebauten Batteriezellen ist eine Litarion-Entwicklung aus dem westfälischen Marl, mit der Evonik eigentlich ganz andere Pläne hatte. Die Marler hatten Ende der 90er-Jahre einen Mikrofilter für Wasser entwickelt, der die Flexibilität von Kunststoff mit der Verwendungsfähigkeit von Keramik vereinigte. Diese Keramik hat allerdings mit einer Badezimmerfliese nichts gemein, sie ist halb so dünn wie ein menschliches Haar und kann wie Papier auf Rollen produziert werden.

Die Keramikfolie, die Litarion neben Kamenz weiterhin auch in Marl fertigt, dient in den Batteriezellen nun als Separator und trennt dabei – vereinfacht gesagt – Plus von Minus. So werden auch bei hoher Belastung etwa beim Aufladen Kurzschlüsse und in der Folge gefährliche Fahrzeugbrände verhindert. Im Vergleich zu von anderen Batterieherstellern verwendeten Kunststofffolien verträgt sie mit bis zu 700 Grad Celsius etwa fünfmal höhere Temperatur-Belastungen. Das, so Hahn, sei wichtig für Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Lebensdauer der Fahrzeuge. Diese patentgeschützte Technik „ist weltweit einzigartig“.

In der Hightech-Batterie aus Kamenz sieht auch der Autobauer Daimler, der Ende 2008 die Allianz mit Evonik besiegelt hatte, echte Wettbewerbschancen: „Der Vorteil ist die hohe Speicherkapazität der Zellen und der hohe Sicherheitsstandard durch den Separator“, sagt Prof. Herbert Kohler, bei Daimler der Experte für Elektromobilität. „Wir haben viele Systeme miteinander verglichen. Dieses hat uns überzeugt.“

Auch Litarion-Chef Henrik Hahn ist sicher: „Wir liegen sehr, sehr gut im Rennen.“ Das will er erstmals im Sommer auch an seiner Carrera-Bahn beweisen.