Washington. . Nach der Tötung des El-Kaida-Chefs schwimmt Barack Obama auf einer Welle der Zustimmung. Auch die konservative Presse huldigt dem Präsidenten. Nur George W. Bush wollte sich mit ihm zeigen.

Wären die Schwergewichte seines Kabinetts, die Außenministerin, der Verteidigungsminister, da­für gewesen, hätte sich Barack Obama – vielleicht – umstimmen lassen. Aber als auch sie „Besser nicht“ sagten, war für Obama die Entscheidung gefallen, Fotos des übel zugerichteten toten Terroristenführers Osama bin Laden auf Dauer unter Verschluss zu halten. Bin Laden als eine Art „Trophäe“ zu präsentieren, kam für ihn nicht in Frage. „So sind wir nicht“, begründete Obama seine Entscheidung in einem TV-Interview. Selbst El-Kaida habe keine Zweifel an bin Ladens Tod. „Da braucht es kein Foto“, das nur zu neuer Gewalt anstacheln und zu Propagandazwecken missbraucht werden könnte. „Man wird bin Laden auf dieser Welt nicht mehr wandeln sehen.“

Für Obama ist die Debatte damit abgehakt. Dass im Kongress vereinzelt republikanische Abgeordnete verlangten, den letzten Beweis für bin Ladens Tod zu liefern, ließ Obama kalt. „Er ist tot. Jetzt lasst uns damit weitermachen, El Kaida zu bekämpfen“, pflichtete auch der republikanische Vorsitzende im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses, Mike Rogers, Obama bei.

„New York liebt Obama“

Möglichst zügig will die Regierung auch alle Spekulationen über die entscheidenden Momente des Zugriffs beenden. Dass Schilderungen korrigiert werden mussten, bin Laden sei bewaffnet gewesen und habe geschossen, hat einen Schatten auf die Glaubwürdigkeit der offiziellen Darstellung geworfen. Unbewaffnet war bin Laden aber offenbar nicht. In Reichweite, eine Armlänge entfernt, hätten sich ein Maschinengewehr und eine Pistole befunden, versicherte ein hoher Beamter der „New York Times“.

Der geglückte Zugriff, der Tod von Amerikas Staatsfeind Nummer 1, hat Obama im ganzen Land einen kräftigen Popularitätsschub verschafft. Vor allem aber in New York wird er gefeiert. Selbst die erzkonservative „Post“ huldigte gestern dem Präsidenten: „New York loves Obama“, titelte das Blatt aus dem Haus Rupert Murdochs in großen Lettern. Am Ground Zero im Süden Manhattans, wo die Zwillingstürme des World Trade Center standen, wollte Obama am Donnerstag mit einer Kranzniederlegung der fast 3000 Opfer gedenken, die auf das Konto bin Ladens gehen. Der Auftritt am Tatort, an der größten Wunde der Nation, die sich erst allmählich schließt, war freilich auch als Triumphzeichen zu verstehen, über einen Feind gesiegt zu haben, den die USA fast zehn Jahre lang gejagt hatten. Ein Kreis hat sich endlich geschlossen.

Die Vorzüge der Wasserfolter

Mit seinem Vorgänger George W. Bush, dessen Auftritt am Ground Zero kurz nach den Anschlägen ebenfalls in die Ikonographie der amerikanischen Geschichte eingegangen ist, hatte Obama diesen hoch emotionalen Moment teilen wollen. Doch Bush lehnte ab, offiziell, weil er dem Rampenlicht entsagt hat. Vielleicht scheute er aber auch nur den Vergleich mit seinem Nachfolger, der die Mission endlich zu Ende bringen konnte. Weniger Skrupel freilich hatten einige frühere enge Zuarbeiter Bushs, die den harschen Verhörmethoden in Guantanamo den Hauptverdienst daran zuschrieben, bin Laden auf die Spur gekommen zu sein. Die „erweiterten Verhörmethoden“, eine beschönigende Umschreibung für Wasserfolter, Schlafentzug und Schläge, habe Ergebnisse hervorgebracht, „die zur Ergreifung bin Ladens führten“, ließ sich Bushs Vize-Präsident Dick Cheney triumphierend vernehmen.

Cheney galt als treibende Kraft bei der Einführung brutaler Verhörmethoden, die unter Obama wieder verboten wurden. Von einem „Bündel an Hinweisen, einem Mosaik an Quellen“ sprachen hingegen Regierungsvertreter in Washington, die das quälende Thema kleinredeten. Das Bemühen war offensichtlich, der „zynischen und verstörenden Rechtfertigung“ übler Praktiken, so die New York Times, möglichst keinen Raum zu geben.